Leider wieder zwei im Himmel geblieben :-/

Forum - Unfallprävention
  • Traurig. Und wahrscheinlich vermeidbar. Wieder mal im Landeanflug abgestürzt. Ich vermute mal in einer Kurve gestallt.

    Da das so häufig geschieht frage ich mich ob das nicht durch Instrumente vermeidbar ist. Warum haben wir keine Überziehwarnung in unseren UL`s? Wäre das nicht auch durch einfache Einstellung  der Elektronik (ich meine Geschwindigkeitswarnung)  machbar?

    Gerd

  • edhs schrieb:
    Warum haben wir keine Überziehwarnung in unseren UL`s?
    Weil das nicht helfen würde.

    Für mich ist die Kurve vom Queranflug zum Endanflug der gefährlichste Moment des ganzen Fluges. Bei gesetzten Klappen muss man die Geschwindigkeiten sehr genau einhalten. Wenn man an der Stelle behertzt in die Kurve geht, beschleunigt man den Außenflügel, und verlangsamt den Innenflügel. Der Außenflügel bekommt dadurch schnell mehr Auftrieb. Wenn der Innenflügel da schon nahe der Stallspeed ist, reißt die Stömung schnell ab. Das Ergebnis ist außen viel Auftrieb, innen keiner mehr. Wenn dann die Stallwarnung kommt, ist man evtl. schon 0,5 Sekunden später auf dem Weg nach unten.

    Ich hab das in großer Höhe mit verschiedenen Typen getestet. Ein Tiefdecker kippt u.U. in weniger als einer Sekunde auf den Rücken. Und selbst eine 172er, die man sonst nur mit Gewalt in den Strömungsabriss bekommt, kippt dann sehr schnell über die Fläche. Ich kann nur empfehlen das mal in ausreichender Höhe, mit jemand der das sicher recovern kann, zu erfliegen. Mich jedenfalls hat das Ergebnis erschreckt und sehr sensibel für ruckartige Steuerbewegungen im Landanflug gemacht. 

    Ob das irgend etwas mit dem Unfall zu tun hat wissen wir natürlich nicht!

    Tom

  • Hallo Tom, gute Darstellung. Ist es aber nicht so das, wenn ich deutlich oberhalb des weissen Bereichs bleibe, das eigentlich nicht passieren darf? Bei meiner 602 ist der weisse Bereich (also Klappengeschwindigkeit) von 70 - 105km/h, grüner Bereich ist ab 82km/h.

    Fliege ich also 105 und bekomme eine Böe ab mit sagen wir mal 20km/h dann habe ich immer noch einen Überschuss.

    Das man keine 60°+ Kurve fliegt bei dieser Speed sollte einleuchten....

    Aus Erfahrung kann ich sagen das eine 602 mit gesetzten Klappen und 2 Männern drin mit Motor drehend und komplett das Höhenruder am Anschlag, nicht vor 65km/h stallt so das man ein schlagen am Knüppel merkt. Bis dahin kannst Du nicht mehr aus dem Cockpit schauen und siehst nur noch Himmel vor Dir und sackst bereits mit gut 130ft/min. Da muß man vorher also viel, sehr viel falsch gemacht haben. Die Kiste ist so treudoof das ich mir ein solches Szenario nicht vorstellen kann ausser man hatte stress wie Sau, war nur darauf fokussiert unbedingt zur Bahn zurück zu kommen (Motor stottert?) und hat dann alle Sicherheitsgedanken und Mechanismen ausgehebelt.
    Das wäre dann wieder das berühmte menschliche Versagen....


  • @MOIN

    Ich bin kein Luftfahrtingenieur. Und jeder Flieger ist  sicher anders. Ich habe nur die Erfahrung gemacht, dass das "Band " der fehlerverzeienden Gutmütigkeit der Geschwindigkeit  bei Anflugdrehzahl sehr schmal wird.

    Ich habe das ausprobiert, nachdem ich bei einem Vortrag eines Luftfahrtingenieurs zum Thema Strömung und Auftrieb war. Dort wurde uns das genau mit Vektoren vorgerechnet. Alle Anwesenden waren sehr ernüchtert. Manchmal entscheiden 5 Kmh. Da braucht es keine 60 Grad, eine zügig eingeleitete Kurve, weil man im Queranflug etwas weit ist, kann schon reichen.

    Aber wie gesagt, unter sicheren Bedingungen kann man das erfliegen.

    Grüße

    Tom

  • MOIN schrieb:
    Ist es aber nicht so das, wenn ich deutlich oberhalb des weissen Bereichs bleibe, das eigentlich nicht passieren darf?
    nein, das ist leider nicht so.

    Ein Strömungsabriss liegt immer und grundsätzlich am Anstellwinkel. Den kann ich wie mit Querneigung auch einfach im Geradeausflug überschreiten und lokal ablösen, zB durch Manöver-gs oder Böen.

    Der weisse Bereich reicht aber normalerweise um bei halbwegs normalem Wetter keine Böe vorliegen zu haben, die zum überziehen führt.

    Mit stärkerer Böigkeit hilft deswegen auch wieder höhere Geschwindigkeit, wie man schön an der Vektorgeometrie von Fluggeschwindigkeit und Böe sehen kann.

    Ein Problem haben wir gerne mit den ULs: da die alte Stallspeed nach LTF-UL2003 irgendwie erreicht werden musste, haben die Flugzeuge teilweise seehr große Landeklappen über einen sehr großen Spannweitenbereich.
    Bei vielen Leuten gibt es den Irrglauben, dass man durch setzen der Landeklappe den Flügel schränkt und dadurch überzieh- bzw. Abkippsicher wird.
    Dies ist aber nicht so. Durch die gesetzte Landeklappe wird der Aussenflügel neben der Klappe mit deutlich höherer Zirkulation beaufschlagt, dies ist eine im Strömungsfeld vorliegende lokale Anstellwinkelerhöhung.

    Dadurch ist es nur eine Frage, ob das zwar geschränkte "Klappenprofil" eher überzieht (es kann zwar viel mehr Anstellwinkel, hat aber schon durch den Klappenausschlag einen deutlich größeren Anstellwinkel) oder ob der aufgeladene Aussenflügel zuerst überzieht.

    Aus der Betreuung einiger UL-Zulassung weiss ich, dass das ziemlich oft Ärger gemacht hat. Bei den heissen E-Fliegern gibt es das aber auch, da bekommt dann der Flügel Stallstrips oder Sägezähne.

    Quax der Bruchpilot schrieb:
    Wenn man an der Stelle behertzt in die Kurve geht, beschleunigt man den Außenflügel, und verlangsamt den Innenflügel. Der Außenflügel bekommt dadurch schnell mehr Auftrieb. Wenn der Innenflügel da schon nahe der Stallspeed ist, reißt die Stömung schnell ab.
    Das hört sich aber sehr danach an, dass Du da auch Schmierkurven geflogen hast. Von allen Flugzeugen die ich bisher kenne überzieht kein Flugzeug beim Einleiten der Kurve unerwartet, ausser ich schmiere sehr stark. Die Bauvorschrift verbietet eigentlich solches Verhalten.

    Aus Erprobungen kenne ich da natürlich anderes, aber in der Erprobung merzt man ja sowas aus.

    Leider ist es so, dass man Bodennah deutlich mehr zu Schmierkurven neigt.
    Man ist nah am Boden, da sieht alles sehr schnell aus, also fliegt man langsamer, weil der Motor kotzt und man sinkt, zieht man unwillkürlich mehr, um halt vom Boden wegzubleiben. Der Flügel ist gefühlt in der Kurve so nah am Boden, da nimmt man etwas Querneigung raus. Weil es dann nicht um die Kurve geht, nimmt man mehr Seitenruder.

    Dann ist der Salat da.

    Da hilft in Grenzsituationen nur ein selbstüberwachtes fliegen mit permanenter Kontrolle der drei Hauptpunkte:

    • Fahrt: stimmt
    • Schiebewinkel: stimmt
    • Landeziel: dort

    Zusammenfassend zurück zur Stallwarnung:

    Die hilft leider nur beschränkt, wenn man in dem Extremfall einer Aussenlandung zwischen Hindernissen ist.
    Die Natur des Menschen ist es, unter Stress die Prioritäten sehr hart zu setzen und die Hupe dann zu überhören.

    Sie funktioniert nur gut, wenn man ansonsten normal unterwegs ist, dann wacht man von der Hupe auf.

  • Denke aus den Berichten wird ja gar nicht klar wie der Flugweg war...klar scheint der Flieger gestallt zu sein.

    Ausgangslage war ein nicht näher beschriebener technischer Defekt um eine Rückkehr zum Platz. Unklar ob das nun eine "normaler" Einflug in die Platzrunde oder eine Umkehrkurve war.

    Denke der Stress, der nun mal entsteht wenn nicht alles grün ist könnte ein Faktor sein

    edhs schrieb:
    Warum haben wir keine Überziehwarnung in unseren UL`s?
    Ja, das könnte eine zusätzliche Awareness schaffen, ist aber wie Quax schon schrieb in der letzten Kurve schon tricky

    Eigentlich ist das ja die Frage wie manage ich den Anstellwinkel und da haben wir i.d.R nun den Fahrtenmesser zur Interpretation in einem recht komplexen Flugzustand  zu einem für den Piloten recht komplexen Moment....wenn da noch Stress durch Technik o-ä kommt, tja...

    Wo ich damals noch Kunstflug gemacht habe und irgendwann gerissene/gestoßene Figuren anstanden war ich erstaunt wie schnell (und anfangs teils ungeplant) das rund ging

    Glaube es hilft nur wirklich standardisieren mit dem Ziel der Vermeidung, sowohl in der Platzrunde als auch in der Runup Check mit klaren Plan was tun im Fall X

  • Quax der Bruchpilot schrieb:
    Weil das nicht helfen würde.

    Für mich ist die Kurve vom Queranflug zum Endanflug der gefährlichste Moment des ganzen Fluges.

    Deine Ausführungen sind zwar richtig aber nicht die Antwort auf meine Frage.

    Eine akustische Stall-Warnung wie sie in jeder Echo-Maschine verbaut ist soll nicht helfen die Unterschreitung einer bestimmte Gesschwindigkeitsgrenze zu verhüten?

    Das sehe ich ganz anders. In Anbetracht des erhöhten Workflows währende des Landevorganges ist die zusätzliche akustische Warnung vor zu geringer Geschwindigkeit eine große Hilfe. Denn Du mußt die Geschwindigkeit im Auge behalten, während Du gleichzeitig den Anflug steuerst. Was oft, z.B. bei Seitenwind viel Geschick erfordert. Deine akustischen Sensoren, also Deine Ohren sind die ganze Zeit frei von Input, dafür hast Du aber einen Überfluß an visuellen Wahrnehmungen die laufend verarbeitet werden müssen. Durchaus ein Grund hier für Entlastung zu sorgen, meinst Du nicht?

    Ich würde sogar weiter gehen und zwei akustische Signale setzen, eines für die Unterschreitung der Landegeschwindigkeit und eines für die Unterschreitung des Stall-Speeds. Individuell pro Maschine einstellbar.

    Wenn man das mal durchspielt in einem solchen Fall, wo der Pilot unbeabsichtigt die erforderliche Geschwindigkeit unterschreitet und das aus Überlastung nicht mehr wahrnimmt, würde zuerst die Anflugwarnung ein akustisches Signal senden, das ihm signalisiert "Vorsicht Du wirst zu langsam" und wenn er dann noch langsamer wird, würde das zweite Signal, die Stall-Warnung kommen, die ihm klar signalisiert "Vorsicht, gleich reisst die Strömung ab". Schnelle, bzw größere Ausschläge der Querruder sind jetzt eindeutig zu unterlassen. Ich verweise nur auf die Segelflieger, was meinst Du, warum die das Vario sich akustisch "anzeigen" lassen. Die könnte ja auch genauso gut auf das Vario schauen. Nur sehen sie dann in dieser Zeit nicht raus. Die Entlastung scheint denen also ziemlich wichtig zu sein.

    Die Tatsache ist doch, dass der Landevorgang, wie Du richtig schreibst, der gefährlichste Teil des Fluges ist. Hier wird das größte Geschick gefordert, hier ändern sich die Parameter laufend und immer schneller und hier ist die negative Auswirkung eines eigentlich kleinen Fehlers am größten.

    Und wenn dann mehrere Belastungsfaktoren zusammenkommen, wird es schnell zuviel für den ungeübten Piloten. Seitenwind, fremder Platz, Ablenkungen und dann seitliches überschießen des Anflugweges wird halt schnell instinktiv mit Querruder korrigiert anstatt durchzustarten. Mir selbst auch schon passiert.

    Ein Grund, warum ich immer bewußt zu schnell anfliege und die empfohlene Landegeschwindigkeit nur bei sehr kurzen Plätzen benutze. Wenn man einmal in sicherer Höhe den Strömungsabriß an einer Fläche und das sehr abrupte Turn over erlebt hat, der hat großen Respekt vor diesem (im Landeanflug) tödlichen Zustand.

    Und ich setze noch hinzu:

    wir alle fliegen fast ausnahmslos mit viel Elektronik im Cockpit. Ich würde auch dafür plädieren, dass alle verfügbaren Daten in einer Schleife aufgezeichnet werden, zumindest die letzten 5 Minuten. Das sollte auch für den Funkverkehr der Tower gelten. Ich finde es angesichts der technischen Möglichkeiten unverständlich auf diese Daten zu verzichten. Wenn es mal einen Zwischenfall gegeben hat, würde der BFU manche Untersuchung leichter fallen und wir alle bekämen auf die Dauer durch die verläßlicheren Ergebnisse  mehr Sicherheit.

    Sorry, dass es etwas lang geworden ist.

    Gerd

  • Quax der Bruchpilot schrieb:
    Für mich ist die Kurve vom Queranflug zum Endanflug der gefährlichste Moment des ganzen Fluges.
    Sehe ich genauso. 4 Punkte dazu:

    - Es ist nicht schlimm, die Pistenachse zu überschiessen und kein Grund, die Kurve zuzuziehen. 

    - Kugel innen ist kein Problem, Kugel aussen ist der Killer. Lieber zu wenig oder auch garnicht ins Pedal treten als zuviel.

    - Vor lauter „Angst“, die Achse zu überschiessen neigen manche dazu, einerseits die Bank und g-Last zu erhöhen und obendrein übertrieben ins Pedal zu treten. Das sollte man sich dringend verkneifen!

    - Stattdessen easy die Achse überfliegen und im Endteil auf diese zurückkurven. Da ist überhaupt nichts dabei.

    Chris

  • Am 2.5. war hier oben Wind aus südlicher Richtung. Im Hintergrund der Absturzstelle sieht das nach Deich aus.

    Vermutlich Start auf der 20 (oder 16) und Umkehrkurve versucht. Der Absturz soll aus 60m Höhe erfolgt sein. Die Polizei schreibt vom Versuch wieder auf die Bahn zu kommen. Sieht nach Steilkurve in geringer Höhe aus, um vom Jadebusen wegzubleiben und schnell wieder auf die Bahn zu kommen aus.

    Ich hab gelernt und gezeigt bekommen, Umkehrkurve unter Platzrunde (wir hatten 700ft) kannste besser lassen. Aber auch die Auswerter später hat alle Zeit und weiß es eh besser, ich habe nur Sekunden um mein Leben zu retten. Leider ein tragischer Unfall, das einzige was man daraus lernen kann, regelmäßig Notsituationen üben.

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