Inhalte von Übungsflügen nach LuftPersV §45

Forum - Luftrecht
  • Michael, ich sehe da immer ein Problem.

    Wir wollen als FI gerne abklopfen, dass jemand handwerklich sicher ist und sich darüber nicht in die Falle manövriert. Sowohl in der Schulung wie auch in den Übungsflügen.
    Stellen wir aber nun Programme auf, die genau dies fordern, ergibt sich eine deutliche Lücke: die einen Flugschüler und Schulungsaspiranten finden es gut gefordert zu werden, die anderen halten einen für einen völlig übertriebenen Korinthenkacker.

    Die letzteren aber nehmen dann die Weiterbildung nicht wirklich an und schütteln nach absolviertem Flug nur den Kopf.

    Nun ist aber doch - wenn man es mal in Ruhe betrachtet - gerade die Hauptursache eines Flugunfalls die aktuelle Nichterkenntnis, dass man gerade ein Problem hat. Da nehme ich mich explizit nicht aus, meine Grenzerlebnisse haben funktioniert, ich habe dabei manche Sicherheitsmargen verbraucht und hatte gerade noch genug. ich frage mich bis heute, ob da noch Luft war, oder ob die Sicherheit komplett verbraucht war. Spielt an der Stelle aber höchsten eine Rolle, dass ich grundsätzlich immer mit den Standardsicherheiten arbeite, und sie nicht von vornherein reduziere "weil ich ja inzwischen so dolle gut fliegen kann"

    Wie schaffe ich es zu vermitteln, dass diese Schulung mit Herausforderungen eine gute Sache ist und keine Selbstbeweihräucherung des FI? Bei manchen kommt das nie an und wird nie ankommen, ist mir dann auch egal, kann ich nix machen.

    ich habe inzwischen drei ehemalige Flugschüler in erheblichen Unfällen gehabt. Zwei Fälle ignorierten meine Hinweise aktiv und wollten sie nicht hören (der eine wenigstens die Notverfahren wenige Wochen vorher, danke) . Beim dritten verstehe ich es bis heute nicht.

    Unterm Strich halte ich ein Prüfprotokoll daher nur für beschränkt sinnvoll. Es schockt die Kippeligen zu sehr. Da ist ein Gespräch über die geplanten Dinge besser, aber noch hinreichend intimidating (hat da jemand ein passendes deutsches Wort für das es so schön auf den Punkt bringt?)

    ---
    Und ja, hier muss Pawlow hin: Wuff...

  • Moin,

    die gleichen Probleme gab und gibt es in der kommerziellen Fliegerei auch, Tendenz aber zum Besseren.

    Der eigentliche Punkt, an dem der Wandel beginnt, ist: weg aus den Prüfungssituationen hin zu Trainingssituationen.

    Bei den "großen" Fliegern gibt es einen enormen Aufwand auf vielen Ebenen, die bekannte Überwachungsfunktion durch Ausbilder und Prüfer zu einer auf das persönliche Bedürfnis angepassten Fortbildung umzugestalten. Nennt sich bei uns EBT oder auf Fachchinesisch Evidenz basiertes Training. Die vorher jährlich vorgeschriebenen Trainings- und Prüfevents mit starr vorgegebenen Inhalten wie CAT3-Anflügen, Motorausfall bei Vr und der ganze andere IFR-Jet-Krempel, der bis dahin wie ein Prüfprotokoll beim TÜV abgearbeitet wurde und im Zweifelsfall auch zur Lizenzsperre führte wird zu einer Art persönlichen Schulung. Am Beginn schaut man im Simulator mal, wie bestimmte Fähigkeiten vorhanden sind: manuelles Fliegen, Verfahrenstreue, Crewkooperation, Entscheidungsfindung etc. Daraus ergibt sich dann der weitere Ablauf. Da jeder Mitarbeiter die jeweils vorhandenen Module innerhalb eines gewissen Zeitraumes abarbeitet, sind damit auch alle Anforderungen seitens des Gesetzgebers erfüllt. Riesenvorteil: die starre Prüfungssituation wird zu einem Schulungsevent umgearbeitet, der selbst bei leichten Defiziten in bestimmten Feldern nicht sofort "bestraft" wird, sondern zusammen mit dem Trainer ( nicht Prüfer ( habe extra für Chris auf das Gendern verzichtet )) verbessert wird. Der damit verbundene Kulturwandel von Prüfer und Opfer hin zu Partnern im Training mit dem gleichen Ziel, optimale Fähigkeiten zu vermitteln ist der Schlüssel, um Training als Belohnung und nich als Strafe oder Herabwürdigung zu verstehen. In der UL-Szene hängt die Qualität der Schulung und Übung mehr oder weniger komplett vom Fluglehrer ab. Aufgeschlossene Lehrer können auch hier diese Art Training bieten, es gibt aber auch noch genug Klassiker. Insbesondere die zunehmende Alterung der UL-Szene hilft nicht dabei, neue Ideen und Inhalte zu etablieren.

    Auch bei den Piloten selber stelle ich oft eine gewisse Ablehnung von Training oder Schulung fest, die auch hier im Forum häufig zu erahnen ist. Die Frage nach Schulungsdauer und Kosten deutet zumindest darauf hin, das die Lernphase nicht auch gleichzeitig als Spaßphase und Positiv gesehen wird, wie auch bei Schule, Fahrschule, Studium etc. Die althergebrachte Trennung von Ausbildung und der Zeit danach hilft auch nicht, sich überhaupt für mehr Training zu interessieren oder dieses zu fordern.

    Um Unfälle zu vermeiden, muß als allererstes das Interesse an der eigenen Weiterbildung geweckt werden, und dazu ist eine massiver Wandel in Struktur und Denkweise bei allen Beteiligten nötig. In der kommerziellen Luftfahrt dauert das mindestens schon ein Jahrzehnt, bei der zivilen Kleinfliegerei sind ähnliche Zeiträume nötig. Aber nur durch das Interesse der Piloten und der Fähigkeit der Ausbilder kann eine Änderung überhaupt beginnen, und das müssen die Verbände anstoßen. Mehr Angebote wie zum Beispiel Unfallanalysen, Einblicke in menschliche Systeme wie Entscheidungsfindung, streßbedingte Fehlleistungen und auch Unterstützung eines Kulturwandels an den Plätzen und in den Vereinen hin zu Fehlertoleranz statt Strafe sind notwendig.

    In der kommerziellen Luftfahrt gibt es auch ein System, das Fehler nicht bestraft, sondern als Erfahrungsgut wertet, nennt sich non-punitives-System. Wenn jemand etwas falsch macht, wird er nicht für diesen Fehler bestraft, sondern kann ohne Sorge um persönliche Konsequenzen Andere durch seinen Bericht auf Schwachstellen etc aufmerksam machen und so auch systembedingte Fehlerketten mit aufdecken. Jeder hat schon mal den Beginn eines Unfalls einer anderen Person gesehen, zum Beispiel einen zu lässigen Check vor dem Abflug, mangelnde Flugvorbereitung, schlechtes Verhalten in der Platzrunde oder am Funk. Normalerweise führen die Angst vor Bestrafung oder Herabwürdigung zu einer Ablehnung der offenen Diskussion über diese Punkte, man kommt schnell in die Law-and-Order-Ecke, die aber in der Sache nicht weiterhilft und im Zweifelsfall weitere Gespräche unterbindet. Fehler werden vertuscht, Schwachstellen nicht angesprochen, da es immer auch an der negativen Aufarbeitung hängt. 

    Ändern geht in dem System nur durch konsequentes Vorleben, beginnend in den Flugschulen bis es sich über die neue Generation auch in den Vereinen etabliert. Kleine Randnotiz: eine Änderung des Systems von Überlegenheit und Prüfungsgewalt hin zu kooperativem Verhalten würde vor allem auch Frauen den Flugsport deutlich sympathischer machen...

    Gruß Raller

  • Ok, aber dann mal eine ( bin nicht Fluglehrer) - Frage .

    Gibt es überhaupt die Möglichkeit diesen Checkflug nicht "zu bestehen" ... es ist nach 61 min ->

    Landung -> Fluggerät und Insassen noch heile .. doch eigentlich IMMER " bestanden" ? Oder ?

    Habe noch nie gehört dass jemandem der "Schein " genommen " wurde nach einem "verpatzten" Checkflug.

    Somit ist doch im Intreresse Aller...  immer optimal etwas zu vermitteln und den Schein-Piloten
    an die "Grenze" ( der bisherigen Flugerfahrungen ) zu bringen ...um einen Lerneffekt zu erzielen...
    Denn wie ja nun alle mitbekommen sollten ->  "Kaffee-Touren"  helfen nur dem Tankwart und dem Flugbuch.

    Wie man das als Schein-Pilot nicht möchte, ist mir schleierhaft und ich habe Derartiges im Umfeld auch noch
    nicht gehört, weder im Verein, noch auf privaten Maschinen.

    Es kann doch im schlimmsten Fall eine (an oder ab-trainierte?) Fehlersache gesehen und verbessert werden.
    Und es kann doch dem Scheinpiloten nichts "genommen" werden, (oder doch) ?

    FL vor ... :)

  • Moin,

    ob du bei dem Übungsflug nach Scheinerhalt durchfallen kannst, weiß ich nicht. Das aber dieser Flug bei Einigen Stress und Sorge auslöst schon.

    Und das war der Punkt, um den es mir ging. 

    Ich habe versucht zu erklären, was sich bei den Airlinern geändert hat, um das Training zu verbessern und wie es eventuell auch bei der Privatfliegerei gehen könnte.

    Gruss Raller 

  • Higgy schrieb:

    Gibt es überhaupt die Möglichkeit diesen Checkflug nicht "zu bestehen" ... es ist nach 61 min ->

    sagen wir mal so, der FI kann einfach sagen, dass er die Unterschrift im Flugbuch nicht leistet. Aber das ist natürlich die Frage, in welchem Ton er das macht. Bei den einstündigen Auffrischungsschulungen habe ich es noch nicht erlebt, da hat man ja auch Zeit wirklich etwas zu verbessern und das funktioniert normalerweise ja.

    Im Segelflug ist es ja schon seit jeher in vielen Vereinen üblich einen "Überprüfungsstart" am Anfang der Saison zu machen. Da kam es schon des öfteren mal vor, dass man mehr als einen macht.

    Bisher sind die Fälle, bei denen sowas vorgekommen ist auch selbst der Meinung gewesen, dass es noch etwas mehr Auffrischungsschulung haben kann.

  • Higgy schrieb:
    Wie man das als Schein-Pilot nicht möchte, ist mir schleierhaft und ich habe Derartiges im Umfeld auch noch
    nicht gehört, weder im Verein, noch auf privaten Maschinen.
    als die verpflichtenden Flüge eingeführt wurden, gab es durchaus einige, die das unter ihrer Würde fanden.

    Ein bischen glaube ich, dass das mit der (ggf. unbewussten) Vermutung korrelierte, dass dabei auch wirklich Mängel auftreten werden.

  • Schönes Thema! 👍🏻👍🏻

    Ich glaube, dass Flugunfälle kaum wegen handwerklicher Fehler passieren, sondern weil man mentale Fehler begeht, sich in ausweglose Situationen manövriert, (unbewusst) Sicherheitsmargen aufbraucht. Stichworte menschliches Leistungsvermögen, Stalldrang bei grenzwertigem Wetter, Umkehrkurve, „heldenhafte“ Flugmanöver…. Steffen hat es gut beschrieben und deswegen knallten es bei mir auch schon beinahe.

    Diesem Problem, welches DAS Hauptproblem überhaupt ist, kann man mit so einem einfachen Übungsflug nicht beikommen. Gäbe es hier einen effektiven Ansatz, ich würde das begeistert mitmachen!

    Chris

  • Chris_EDNC schrieb:
    Ich glaube, dass Flugunfälle kaum wegen handwerklicher Fehler passieren,
    Das glaube ich nicht. Die Fehler sich in schlechtes Wetter zu manövrieren tauchen seltener auf als klassische Handwerksfehler wie Schmierkurven, oder Bugradhüpfereien.

    im Segelflug sind auf jeden Fall die handwerklichen Fehler deutlich mehr als andere.

    Chris_EDNC schrieb:
    sondern weil man mentale Fehler begeht
    Wobei der erste mentale Fehler ist zu glauben, dass man keine handwerklichen Fehler begeht.

    Von daher sind natürlich mentale Fehler immer der Grund ;-)

  • Einigen wir uns auf das Käsemodell? Ich zumindest neige zu handwerklichen Fehlern, wenn mental am Limit (z.B. durch kotzende und nörgelnde Kiddies, ask me how I know :-) )

    Den Übungsflug gibt es ja noch nicht ewig. Ich kann mich noch gut erinnern als das losging, der Aufschrei was "der Scheiß" soll war riesig bei meinem damaligen Verein (sowohl bei den Piloten als auch bei den Fluglehrern, die nun "doppelt" Aufwand hatten)

    Mus zugeben, anfangs hab ich das auch als administrative Blockade empfunden. Die gute Idee dahinter wurde seinerzeit halt nicht wirklich rübergebracht.

    Was die Inhalte betrifft, finde ich es gut und richtig, dass die nicht bis ins Letzte ausdefiniert sind und ich als PIC mit dem Fluglehrer die Chance habe selber Schwerpunkte zu setzen.

    Setzt aber auch Eigenverantwortung voraus....

    ...und da sieht man einiges. Da gibt es den Fluglehrer, der Gefälligkeitsflüge macht, und auch die Piloten, die versuchen möglichst einfach davon abzukommen. Könnt man ewig drüber an Beispielen schreiben.

     Am Ende Chancen nicht genutzt...

    Für mich setzte ich mir immer 1-2 Schwerpunkte (letzte Mal im E  u.a. z.B. VOR) aber auch, weil ich weiß, dass die FI′s mit denen ich fliege Schwerpunkte auf Flugvorbereitung, Notfallverfahren und Co legen.

    Ich versuche auch immer mit unterschiedlichen Lehrern zu fliegen....dann kommt man aus der Komfortzone raus.

    Teils mach ich das auch wie Steffen und mach einen Checkflug um E,K und M auf einen Schlag zu machen

  • @Oliver, ja die Information vom LV Bayern kenne ich, hatte mit dem Landesausbildungsleiter Robert auch länger diskutiert wie man mit den Übungsflügen am besten umgeht. Daraus ist seine Information auf der Webseite entstanden. Mein Gegenstück, was zugegebener Maßen eine ziemlich harte Nummer ist, kannst du hier nachlesen.

    https://sway.office.com/AsCdHRdDXnjbjx25

    ich sehe grade das Robert die Datei auch veröffentlicht hat....

    https://www.lvbayern.de/fileadmin/content/sparten/ultraleicht/dokumente/U__bungsflug_FI-Pilot__AR_.pdf

    @Higgy, das ist genau der Knackpunkt den du ansprichst, immer mal wieder was Neues lernen, was Neues versuchen zu erreichen. Und wenn es nicht vom Piloten selbst kommt, ist der Fluglehrer gefragt die Lücken und Schwierigkeiten zu erkennen, oder auch zu motivieren etwas Neues zu versuchen. Nun sind die Möglichkeiten für reine UL Piloten eingeschränkt, aber die Motivation kann ja z. B. auch sein den LAPL zu erwerben, über diesen Weg habe ich die Kunst- und Nachtflugberechtigung erworben, ein Erfahrungsschatz der unbezahlbar ist.

    Aber bleiben wir mal bei den UL only Piloten, nicht jeder hat die Möglichkeit die Ausbildung zum LAPL zu machen. 

    @Kurt, dein letzte Punkt ist ja genau mein Thema. Leider kommt das immer wieder vor: Start, 60 Minuten rumfliegen und eine Landung. Minimum erfüllt aber das kann es doch nicht sein. Im Grunde möchte ich nicht das der Beauftrage Verband uns die zu übenden Punkte vorgibt, andererseits kommen wir wegen steigender Unfallzahlen in die Kritik (auch die E Klasse!). Die Versicherungen schlagen zum Teil ja jetzt schon Alarm.

    Ein letzter Punkt, mir liegt natürlich die Deutsche Meisterschaft sehr am Herzen, die ich seit 10 Jahren leite. Vieles von dem was auf einem Übungsflug vorkommen soll, wird in den Aufgaben einer Meisterschaft gefordert. Erstmalig in diesem Jahr lassen wir auch Fluglehrer mit Schüler teilnehmen, ich bin mal gespannt auf das Feedback :-)

    Noch mal @Higgy, klar wenn jemand regelmäßig in einer CTR fliegt gibts da nicht viel zu üben (Ich fliege u.a. in Mannheim, CTR ist Alltag). Aber dann wäre ein kurzer Grasplatz, abfallende/ansteigende Piste, o.ä vielleicht ein ganz neue Herausforderung, neben den Dingen die schon angesprochen wurden.

    In diesem Sinnen einen schönen Abend!

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