Wann Passagierberechtigung?

Forum - Pilotenausbildung (SPL)
  • Moin,

    interessante Diskussion. Aus meiner Sicht als Fluglehrer sind die 200km Überlandflüge zum Erhalt der Passagierberechtigung ein Stresstest. Ich konfrontiere die Piloten während der Flüge also mit Situationen wie sie real auch vorkommen können, z.B. Abbruch einer Landung oder eines Starts, außerplanmäßige Landung auf einem fremden Platz, wenn möglich Seitenwindlandungen, Landungen in der Dämmerung, Landung auf einem Airport (CTR), Ausfall des Navis und was die Flugroute und das Wetter halt so hergibt. Ein wichtiger Punkt ist auch das Verhalten des Piloten bei Stress mit dem Fluggast. Also was mache ich als Pilot, wenn der Mitflieger Angst bekommt, ausrastet oder körperliche Symptome zeigt? Wie kann ich beruhigen, welche Maßnahmen sind zu ergreifen usw. Der Aspekt wird leider oft vernachlässigt, nicht nur bei UL Piloten. Kurz gesagt, ich halte die 200km Flüge mit FI zum Nachweis der Stressfestigkeit für ein wichtige Sache. Wir Fluglehrer sind allerdings gefordert dieses Mittel auch richtig zu nutzen.

    Allzeit gute Landungen, Michael

  • Michael_Kania schrieb:
    Aus meiner Sicht als Fluglehrer sind die 200km Überlandflüge zum Erhalt der Passagierberechtigung ein Stresstest. Ich konfrontiere die Piloten während der Flüge also mit Situationen wie sie real auch vorkommen können, z.B. Abbruch einer Landung oder eines Starts, außerplanmäßige Landung auf einem fremden Platz, wenn möglich Seitenwindlandungen, Landungen in der Dämmerung, Landung auf einem Airport (CTR), Ausfall des Navis und was die Flugroute und das Wetter halt so hergibt.
    Das hatte ich in meiner "normalen" Ausbildung und da gehört es auch hin. Oder kommen diese Situationen nicht vor wenn man ohne PAX fliegt, oder ist es dann nicht so schlimm wenn man es verkackt?

    Ich finde die Passagierberechtigung ziemlich unsinnig. Entweder ich bescheinige einem Piloten durch die Ausbildung und Prüfung, dass er ein Flugzeug sicher wieder zu Boden bringen kann oder nicht. Vollkommen unerheblich ob er alleine ist oder jemanden dabei hat.

    Dazu kommt, dass ich, wenn ich lieber keinen mitnehmen möchte, weil ich Zweifel habe, ob ich den evtl. umbringe, auch selbst gar nicht fliegen würde, ich möchte mich selbst am aller wenigsten in den Acker rammen.

    Das heißt ja dann von Prüfer und Behörde für den Schein ohne Passagierberechtigung: "Hier haste deinen Schein, probier halt mal aus ob du es überlebst, ich bin mir da nicht so sicher. Wenn es gut klappt, darfst du auch jemanden mitnehmen"

  • Schnickes schrieb:
    Das hatte ich in meiner "normalen" Ausbildung und da gehört es auch hin. Oder kommen diese Situationen nicht vor wenn man ohne PAX fliegt, oder ist es dann nicht so schlimm wenn man es verkackt?

    Ich finde die Passagierberechtigung ziemlich unsinnig. Entweder ich bescheinige einem Piloten durch die Ausbildung und Prüfung, dass er ein Flugzeug sicher wieder zu Boden bringen kann oder nicht. Vollkommen unerheblich ob er alleine ist oder jemanden dabei hat.

    Dazu kommt, dass ich, wenn ich lieber keinen mitnehmen möchte, weil ich Zweifel habe, ob ich den evtl. umbringe, auch selbst gar nicht fliegen würde, ich möchte mich selbst am aller wenigsten in den Acker rammen.

    Das heißt ja dann von Prüfer und Behörde für den Schein ohne Passagierberechtigung: "Hier haste deinen Schein, probier halt mal aus ob du es überlebst, ich bin mir da nicht so sicher. Wenn es gut klappt, darfst du auch jemanden mitnehmen"

    Das sehe ich genauso - mit der Einschränkung der Regelung der drei notwendigen Starts und Landungen innerhalb der letzten 90 Tage. Diese zugegebenermaßen recht geringe Hürde ist in meinen Augen sinnvoll, da sie auch dazu zwingt sich den eigenen Übungsstand vor Augen zu führen bevor man drüber nachdenkt einem Pax mitzunehmen. Bedingt natürlich, dass man selbstreflektiert genug ist dem schon wartenden PAX vor Ort abzusagen, wenn man nach längerer Pause und drei Platzrunden feststellt, dass es vielleicht noch etwas mehr als diese braucht um wieder fit zu werden.

  • Klar, da kann und soll man unterschiedlicher Meinung sein, ich berichte halt aus meiner Sicht und Erfahrung. Richtig ist ja auch das z.B. ein LAPL Pilot nach 10 Stunden Flugzeit nach der Ausbildung Passagiere mitnehmen darf. Die höhere Hürde bei UL (früher waren es 60h Flugzeit) stammt aus einer Zeit als die ULs mehr auf einem Acker niedergingen als auf dem Flugplatz . Damals war das sicher gerechtfertigt, heute müssten wir darüber nachdenken ob es noch zeitgemäß ist. Wie gesagt, ich persönlich finde die derzeitige Lösung in Ordnung, wenngleich ich andere Meinungen dazu natürlich respektiere. Deswegen diskutieren wird ja hier.....

    Ein unerfahrener Passagier z.B. wird in Ausnahmesituation immer anders reagieren als ein CoPilot oder ein Fluglehrer auf dem rechten Sitz. Mit Glück bleibt er gelassen, mit etwas Pech rastet er aus o.ä., was dann? Ist der Pilot dann stressfest genug um die Situation fliegerisch zu beherrschen?  Während so eines Fluges für die PAX Berechtigung kann man gezielt und kontrolliert den Stresslevel erhöhen, vielleicht stellt man doch fest das etwas Übung und Praxis noch gut ist.  Vielleicht auch nicht, dann ist es doch gut das zu wissen.

    Wie auch immer, die Anfangsfrage war wann man die PAX machen sollte. Das sollte jeder für sich selbst entscheiden, für den einen ist es richtig gleich nach der Ausbildung daran zu gehen, ein anderer ist da vielleicht zögerlicher und möchte selbst noch Erfahrungen sammeln. Und generell nach der Ausbildung noch mal mit einem erfahrenen FI einige spezielle Dinge zu üben ist doch auch kein Fehler und schon gar kein Zeichen für Defizite. 

    Allzeit gute Landungen,

    Michael

  • Michael_Kania schrieb:
    Während so eines Fluges für die PAX Berechtigung kann man gezielt und kontrolliert den Stresslevel erhöhen, vielleicht stellt man doch fest das etwas Übung und Praxis noch gut ist.
    Noch mal meine Frage, warum macht man das nicht bei der "normalen" Ausbildung? Da hat man wahrlich Zeit genug finde ich, anstatt zum xten mal Koppelnavigation zu üben.

    Ich weiß auch nicht, wie man "unvorhergesehene Reaktionen des PAX" simulieren und üben kann. Schliesslich weiß der Schüler, dass der FI es "nicht so meint".
    Wenn du allerdings Tipps hast, wie man das am besten in die Ausbildung einbauen kann, würde ich mich freuen.

  • Was wäre die Lösung wenn wir die Überlandflüge für die Passagierberechtigung wegfallen lassen würden? Ich hatte ja schon angedeutet das die Vorgehensweise möglicherweise nicht mehr zeitgemäß ist und über eine Überarbeitung gesprochen werden könnte. Wie ist denn deine/eure Idee dazu?

    Zu deiner Frage - Ich will mir kein Urteil über die Ausbildung in anderen Schulen erlauben ohne sie zu kennen. Koppelnavigation ist sicher wichtig zu beherrschen und bei Ausfall des Navis sollte man den Weg zum nächsten Flugplatz auch per Karte finden. Das gehört sicher in die Zeit der Ausbildung und sollte funktionieren, wenn nicht gravierende weitere Faktoren hinzu kommen.

    Ohne jetzt im einzelnen Themen aufzuführen die meiner Meinung nach in einen PAX Flug gehören, oft sind es ja die Verkettungen von Umständen die ein größeres Problem verursachen. Der Ausfall des Navis, Wetterverschlechterung, kein Kontakt mehr zu FIS wegen zu geringer Flughöhe, bis dahin ist die Situation vielleicht noch lösbar -  aber dann noch ein ängstlicher Mitflieger der sich am Steuerknüppel festhält und verkrampft.....  reine Theorie? Richtig ist, nicht alles kann man bis zum Ende simulieren, aber zumindest mal die Situation (kontrolliert) herbeiführen und Maßnahmen ableiten lassen. Allein die nachträgliche mentale Beschäftigung mit solchen Situationen und vor allem mit dem richtigen Umgang mit dem/der Mitflieger(in) (erklären, beruhigen) kann helfen aus so einer fatalen Lage zu kommen. 

    Aber nochmal, wie sähe denn eine Lösung aus als Ersatz für die PAX Flüge? Ich sammle gerne Ideen und trage sie in die Gremien. Wir wollen ja keine Probleme diskutieren sondern gute Lösungen schaffen.

    Viele Grüße,

    Michael

    PS: Ich habe mehrere private Nachrichten zum Thema erhalten, an der Stelle arbeite ich mal weiter. Freue mich dennoch über Feedback hier und komme sicher später darauf zurück.

  • Michael_Kania schrieb:
    Ich hatte ja schon angedeutet das die Vorgehensweise möglicherweise nicht mehr zeitgemäß ist und über eine Überarbeitung gesprochen werden könnte. Wie ist denn deine/eure Idee dazu?
    Ich würde die alte 60h-Regel zumindest als mögliche Alternative zur Pax-Prüfung wieder einführen. Und wenn schon Prüfung, dann würde ich vor allem das Briefing des Passagiers vorm Flug auch mal üben. Also wie bekomme ich ihn angstfrei und ohne Zeitstreß ins Cockpit?

    Ich erinnere mich immer wieder an einen Sight-Seeing Flug im Urlaub. Wir waren 6 Passagiere und wollten mit einer Gippsland Airvan in Australien zu den Horizontal Falls. Der Pilot kam zu uns und bat uns noch etwas auf der überdachten Terrasse vor dem kleinen Abfertigungsgebäude im Schatten zu warten. Er wolle erst den Preflight-Check durchführen. Wir haben ihm alle dabei zugesehen und bei den anderen Passagieren (außer mir war keiner Pilot) kam gewaltiges Unwohlsein auf, weil der alte Herr keine Uniform trug. Das wäre nicht professionell. Als der Pilot dann ca. 40m vor unseren Augen die Motor-Cowling öffnete, um den Ölstand am Peilstab abzulesen, war es passiert. Auf einmal kippte die Stimmung und alle Senioren hatten Angst. Bei mir stellt sich hingegen eher genau das gegenteilige Gefühl ein: "Der Typ macht den Preflight-Check at its best, bei dem kannst einsteigen."

    Ende vom Lied war, daß ich der einzige Passagier auf dem Flug zu den Horizontal Falls war.

  • Michael_Kania schrieb:
    Aus meiner Sicht als Fluglehrer sind die 200km Überlandflüge zum Erhalt der Passagierberechtigung ein Stresstest
    Super Anspruch!

    Meine Wahrnehmung ist, dass das heute nicht gelebter Standard ist und eher die km abgerissen werden und dann nochmal den Aspirant die Kosten für den neuen Lappen berechnet werden müssen (ist ja korrekt, da eben administrativen Aufwand)

    Persönlich wäre ich auch dafür den Teil in die "Erstausbildung" zu integrieren....eben auch, weil die Zeit vorbei ist wo jemand mit seinem Rohrtuch im Sichtweite des Platzes bleibt. Die Leute wollen & werden eh auf Strecke gehen,....dann besser fundiert durch Ausbildung ggf mit Neckereien was PAX Flieger betrifft (angereichert durch die "Stresstest")

    Glaube das kann man entschlacken

    1) Integration in Initialer Ausbildung

    2a) analog LAPL: PIC h nach Schein

    oder

    2b) analog Segelflug (bei kommerziellen Gastflügen): Flug mit Lehrer und Bestätigung im Flugbuch

  • francop schrieb:
    Glaube das kann man entschlacken
    Ich glaube auch, daß man da umbauen sollte. Wenn ich an meine eigene UL-Ausbildung denke:

    • Theorie: Was interessiert es mich, daß der kürzeste Weg nach Australien ein Großkreis ist? Das war echt bei mir Theorie-Inhalt. Aber so ganz praktische Dinge fehlten bzw. wurden nur angerissen. Also das Thema Flugplan aufgeben (file), verschieben (delay) und absagen (canceln) wurden nur angeschnitten. Wie man rein praktisch mit einem UL ins EU-Ausland kommt, also der Grenzübertritt, der Port of Entry etc. fehlten komplett.
    • Wenn ich die 200km-Pax-Flüge mit meinen damaligen Flugaufträgen vor dem Lizenzerhalt vergleiche, sind die 200km auch Blödsinn. So bin ich damals mit Flugauftrag regelmäßig weitere Strecken geflogen. Allein der Hin- und Rückflug zur praktischen Prüfung mit Flugauftrag waren (zusammen) 245km.
  • Ich glaube, das ganze Kapitel „Ausbildung“ könnte / sollte / müsste mal auf den Prüfstand gestellt werden. Allerdings wäre das sicher in einen neuen Thread besser aufgehoben.

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