Wie hängen Reichweite und Propverstellung zusammen?

Forum - Technik & Flugzeuge
  • Moin allerseits,

    da hätte ich gerne mal wieder ein flugphysikalisches Problem. :)

    In einem anderen Fred wurde von meinem Fliegerfreund der Hinweis gegeben (halt, Moment mal, qax, darf ich sagen, dass du das warst? *grins*), dass der Spritverbrauch des Heiligen Rotax nicht nur von der Drehzahl, sondern beim Verstellpropeller auch von der Propstellung abhinge. Mein spontaner Gedanke: Klar tut er das! Wenn ich mit dem Auto stets nur im ersten Gang rumbrauste, dann würde ich ja auch zuviel Sprit verbrauchen, keine Frage.

    Dann aber beschlich mich ein komisches Gefühl. Die Drehzahl hängt ja ihrerseits wiederum auch vom Propwinkel ab. Mal nachdenken. Also, in einer bestimmten Literzahl, sagen wir mal 44 Liter, steckt eine bestimmte Energiemenge. Die muss ausreichen, um mich von A nach B zu bringen, sonst lande ich uffm Acker. Optimal bin ich unterwegs, wenn ich mit bestem Wirkungsgrad fliege. Auch klar. Dazu gibt es Ladedruckempfehlungen des Motorenherstellers, oder? Was aber, wenn ich von diesen abweiche?

    Erste Frage: Kann mir jemand sagen, wie der im Drehzahl/Verbrauch-Diagramm dargestellte Spritverbrauch eines Rotax sich ändert, wenn ich die Ladedruckempfehlung nicht befolge? Sind das ein paar Prozent oder muss ich meine Flugplanung darauf abstellen, gefälligst haargenau den optimalen Druck zu treffen?

    Und davon unabhängig, etwas abstrakter: Ist es physikalisch zutreffend, wenn man sagt, der Spritverbrauch pro Zeiteinheit hinge nicht allein von der Drehzahl ab, sondern auch vom abgeforderten Drehmoment?

    Dank und Gruß
    ColaBear

  • Hallo,

    da ist so schon ganz richtig.

    Die Kurve, die du suchst, heißt "Muscheldiagramm" und ist bei den meisten Motorenherstellern (so auch bei Rotax) Betriebsgeheimnis.

    Ein typisches Diagramm sieht so aus: http://cr4.globalspec.com/PostImages/200809/ALH_BSFC_map_with_power_hyperbolae_268AF725-D2FD-B5CA-17158CC650E40A3F.bmp

    Wie du siehst, kann man für eine beliebige Leistung jeweils eine Kombination auf Drehzahl und Mitteldruck(das ist eine rechnerische Größe, die Drehmoment/Ladedruck repräsentiert) einstellen.

    Nehmen wir für das Beispiel, dass ich den Motor auf 50 PS (36,8 kW) einstelle.
    Tue ich das bei 3000 RPM, kann ich aus der Kurve ablesen, dass der spezifische Verbrauch ca. 230 g/kWh ist.
    Eine Stunde Flug bei 50 PS entspricht also 36,8 kWh verrichteter Arbeit und 36,8 * 230 = 8464 g (11,76 l) Sprit.

    Stelle ich jetzt den Propellerhebel aus 2000 RPM dann muss ich den Ladedruck erhöhen, um wieder auf 50 PS zu kommen. In dem Diagramm wandere ich entlang der blauen Linie nach links oben und komme in einen Bereich, wo der Motor etwa 200 g/kWh braucht. Die Leistung hat sich nicht geändert, daher verrichtet der Motor in einer Stunde immer noch 36,8 kWh, braucht dabei aber nur 36,8 * 200 = 7360 g (10,22 l) Sprit.

    Für den 80 PS-Rotax kann man aus den bekannten Diagrammen erahnen, dass der Punkt mit dem besten Wirkungsgrad etwa bei 3500 RPM liegt.

    Allerdings kann man daraus noch nicht die maximale Reichweite berechnen, da hier ja die Eigenschaften des Flugzeugs (Luftwiderstand u.ä.) nicht berücksichtigt sind...

    Gruß,
    Florian
  • Hallo Florian,

    so wie es assieht, stammt Dein Diagramm von einem TDI. Beim Rotax sieht das natürlich anders aus. Deine Einschätzung, dass der Rotax bei ca. 3500 den Bestpunkt hat, teile ich, aber im Betrieb mit einem Propeller, der auf den Punkt mit Max. Leistung ausgelegt ist, kommst Du da nicht hin. Dazu müßte der Propeller viel größer sein oder die Übersetzung verringert werden.

    Gruss, Michael

  • Klasse Frage und klasse Antwort von Flocki. 

    Hier ein anderes Muscheldiagramm, das vermutlich eher zum Rotax passt: 




    Bei diesem Motor ist der Bestpunkt bei ca 3200 U/min. Man sieht auch, dass zwischen dem Bestpunkt und der zweiten Schale kein sooo großer Unterschied  im spezifischen Verbrauch vorhanden ist. (237g/KWh zu 240g/KWh) Der Bereich der zweiten Schale mit leicht ungünstigerem spez. Verbrauch von 250g/KWh ist schon ziemlich groß.

    Um mit einem Flugzeug eine bestimmte Flugleistung (Kombination aus Geschwindigkeit und Steig/Sinkrate) zu erreichen, braucht man eine bestimmte Motorleistung. 
    Wie Flocki schon schrieb, kann man eine bestimmte Motorleistung mit vielen unterschiedlichen Kombinationen aus Drehzahl und Ladedruck erreichen. Trägt man die Kurven gleicher Leistung in das Diagramm ein, bekommt man für jede gewünschte Leistung Hyperbeln.  

    Hier ein anderes Muscheldiagramm mit eine Linie mit ′ gleicher Leistung: 




    Für alle Punkte auf der Linie gilt: Bei dieser Kombination aus eff Mitteldruck (propotrional zu Drehmoment) und Drehzahl gibt der Motor 30KW ab. 

    Außerdem wissen wir, dass die erforderliche Motorleistung stark mit der Drehzahl zunimmt. (glaube mit der dritten Potenz)  Ist der Prop so eingestellt, dass der Motor die maximale Leistung herauskitzeln kann, die beim Rotax ja irgendwo knapp unter 6000 U/min liegt, dann wissen wir, dass bei diesem Prop bei Reisedrehzahl nur sehr wenig Drehmoment angefordert wird. Bei dem obersten Muscheldiagramm könnte die Reisedrehzahl vielleicht bei 4500 U/min liegen bei einem effektiven Mitteldruck von vielleicht 0,5.  Damit läge der spezifische Verbrauch bei rund 280g/KWh.  Das ist nicht besonders toll im Vergleich zu den 237g/KWh, aber auch nicht um Welten schlechter. 
    Wenn man den Prop nun stark steil anstellen würde, müsste man den Ladedruck erhöhen, um die gleiche Leistung zu erreichen.  Mit dem neuen Ladedruck und der neuen Drehzahl könnte man im Muscheldiagramm den spezifischen Verbrauch für dieses Powersetting nachschauen.  Höchstwahrscheinlich gibt es aber kein Powersetting, bei der man den Bestpunkt durchkreuzt. Also sooooo viel dürfte sich hinsichtlich spez. Verbrauch bei leichten Verstellungen des Props nicht tun. 
    Man könnte es aber umgekehrt machen: Also nicht die Fluggeschwindigkeit und Steigsinkrate festlegen und danach das Powersetting auswählen, sondern, wenn man den Bestpunkt kennt, könnte man die Motordrehzahl und den Prop so einstellen, dass sowohl Drehzahl als auch Mitteldruck im Bestpunkt liegen.  Damit würde der Motor am wirtschaftlichsten laufen, müsste dann die Feinjustierung der Steig/Sinkrate nicht mit dem Gas, sondern mit der Trimmung machen, was allerdings nicht so präzise geht. 
  • Hallo Karl-Alfred,

    endlich mal jemand, der bei Muscheldiagram nicht ans Essen denkt.

    Sind das Rotax Diagramme?

    Mit der Propellerauslegung nach dem Bestpunkt im Verbrauch ist nur zu berücksichtigen, dass der Motor da nur etwa 40% seiner Nennleistung hat. Wenn das für den Flieger ausreichend ist, wäre das eine tolle Abstimmung. Also Vollast im Stand mit ca. 3000 1/min aber nur 30 Ps.

    Gruss, Michael

  • Moin allerseits,

    herzlichen Dank für die Infos; das Muscheldiagramm trifft genau, wonach ich suchte. "Again what learnt!" ;)

    Viele Grüße
    ColaBear

  • Jooooo, das alles mal wieder zur Kategorie: Man lernt nie aus, vielen Dank!!!
    Aber: Das ist wahrscheinlich alles Richtig wenn, ja wenn man immer auf der gleichen Höhe unterwegs ist, oder??
    Mit zunehmender Höhe müßten sich doch die Parameter auch ändern, irgendwohin, oder lieg ich da als Geisteswissenschaftler (Huibuuhh) falsch?? Zudem ist ein Prop nicht gleich ein Prop. Wir hatten schon mehrere Props ausprobiert. Die Eigenschaften waren total unterschiedlich und damit auch die Verbrauchswerte. Möglicherweise hab ich aber auch das Thema noch nicht richtig verstanden, oder denke zu quer!?!

    Ich bin mir unsicher, ob die "Muschel" so anwendbar wäre um den Verbrauch zu errechnen...

    Hier mal die Handbuchauszüge der DIVA:
    Druckhöhe 2000ft.
    U/min    TAS          Verbrauch              
    4600     200km/h    18l/h
    5000     235km/h    21,5l/h
    5400     265km/h     28,5l/h
    Druckhöhe 4000ft
    U/min    TAS          Verbrauch 
    4600     210km/h    16,5l/h
    5000     245km/h    20l/h
    5400     275km/h     27l/h
    Druckhöhe 8000ft
    U/min    TAS          Verbrauch 
    4600     220km/h    15,5l/h
    5000     255km/h    19l/h
    5400     285lm/h     25,5l/h

    So in etwa kommen die Werte hin, aber, Flügel müssen sauber sein, Prop mus ebenfalls sauber sein, sonst sind dann bei gleichem Powersetting ganz schnell  20 km/h weg. Dazu dann noch der Luftdruck, die Temperatur, dicke der Fliegen, Qualität des Spritts, Laune der Frau, Schwerpunkt des Fliegers, ...tbc

    Ich denke, den Verbrauch muß man individuell erfliegen und die Parameter dafür lassen sich kaum beschränken auf Drehmoment, Drehzahl und Ladedruck, also wenn es um den Verbrauch an sich geht.

    Grüße vom Carlson
  • Carlson, es ist dem Motor völlig egal, in welcher Höhe er fliegt und welcher Prop dran hängt. Es zählt nur die Drehzahl und der effektive Mitteldruck und nur diese Kombination zählt für die Leistungsabgabe und für den Verbrauch pro Stunde

    Aber beim Verbrauch pro Strecke sieht es wieder anders aus. Es ist klar, dass man bei einem bestimmten Powersetting mit einem sauberen Flieger mit guter Aerodynamik mit optimal eingestelltem und sauberem Propeller in der gleichen Zeit weiter fliegt. -> etwas Wirtschaftlicher und etwas schneller. Oder umgekehrt: Wenn man gleich schnell fliegen will, kann man ein anderes Powersetting auswählen und das dann möglichst nah an den Bestpunkt legen. (gleich schnell aber weeesentlich wirtschaftlicher) 


    Allerdings kann man einige Powersettings (Kombinationen aus Drehzahl und effektivem Mitteldruck) je nach Propeller bzw dessen Einstellung und/oder Dichtehöhe nicht erreichen. 

    Z.B. kann man einen Flieger dessen Prop auf bestes Steigen optimierten ist, im Reiseflug nicht im Motor Bestpunkt betreiben, da der Prop bei den niedrigen Drehzahlen, die er im Bestpunkt haben müsste, aerodynamisch nur schwach belastet wird und somit der effektive Mitteldruck weit unterhalb des Bestpunktes liegt.  

    Oder z.B. kann man einen Saugmotor in 5000m Höhe nicht mit 27 Inch Ladedruckbetreiben, weil dieser Druck da oben einfach nicht vorhanden ist. 



    Ich denke, den Verbrauch muß man individuell erfliegen und die Parameter dafür lassen sich kaum beschränken auf Drehmoment, Drehzahl und Ladedruck, also wenn es um den Verbrauch an sich geht.


    Muss man eigentlich nicht. Wenn man Messgeräte für den Ladedruck hat, einen Drehzahlmesser und eine Tabelle mit Verbrauchsdaten für jede Kombination aus Ladedruck/Ladelufttemperatur und Drehzahlmesser, kann man den Verbrauch pro Stunde jederzeit ermitteln.  Wenn man dann noch seine Groundspeed kennt, kann man ziemlich präzise seinen Verbrauch pro Strecke errechnen, ohne irgendwas zu erfliegen. 

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