(Neuer Thread weil m.E. nicht so ganz unwichtig)
Hallo,
>
> Dieser Konsens besteht absolut nicht.
>
Naja, dann wollen wir ihn mal grob herstellen...
>
> Wer seinen Verstand einschaltet, der dürfte von selber darauf kommen,
> dass es wenig Sinn machen würde, bei Trainingsflügen
> gerade die Bordsysteme nicht zu nutzen, die im Ernstfall unabdingbar sind.
>
Hmmm... Nur weil man meint, Dinge müssten doch so sein,
müssen sie noch lange nicht so sein... ;)))
Aber der Reihe nach:
Ich habe heute morgen eine kurze e-Mail an den Flugberatungsdienst
des Fliegerhorstes Nörvenich (Taktische Luftwaffengeschwader 31)
geschrieben.
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Hallo an das Team in Nörvenich,
als Pilot und Ultraleichtflieger, stationiert in EDFL,
begegne ich ja hin und wieder auch militärischem
"Fluggerät" im Tiefflugeinsatz :)
Diese Tiefflüge finden dann z.T. im unkontrollierten
Luftraum GOLF statt.
Aufgund der hohen Geschwindigkeitsdifferenzen zwischen
den Jets und unseren Luftsportgeräten ergab sich jetzt
unter unseren Fliegerkollegen die Diskussion, mit
welchen (zusätzlichen) technischen Mitteln ein solches
Jagdflugzeug im Tiefflugeinsatz möglicherweise in der
Lage ist, andere Sportflugzeuge zu "erkennen" und
ihnen auszuweichen - neben dem "See-and-Avoid" nach VFR.
Gibt es an Bord eines Jagdflugzeuges ein ziviles TCAS,
das auf unsere Transponder reagieren kann?
Und wird das bordeigene taktische Radar des Jagdflugzeuges
auch zur Kollisionsvermeidung im Tiefflugeinsatz hier über
Land benutzt?
Für Infos/Hinweise wäre ich ihnen sehr dankbar.
Mit besten Fliegergrüßen
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Nach dem Absenden dachte ich: "Na, das wird jetzt seinen
Behördengang nehmen und irgendwann nächste Woche wird
wohl mal jemand zurückschreiben..."
Um kurz nach 10:00 (LOC) klingelte mein Handy mit einer
Nummer und der Infomation "Nörvenich, Nordrhein-Westfalen"
im Display!
Ich dachte nur: Ach du Kacke! - läuft, bei den Jagdfliegern :-)
Etwas aufgeregt hab ich abgenommen.
Es meldete sich ein sehr netter Herr und sagte, der
Flugberatungsdienst hätte meine e-Mail direkt an ihn weitergeleitet
und er hätte keine Lust alles zu tippen und mich lieber gleich
angerufen :))
Der nette Mensch (nein, den Namen habe ich mir leider nicht gemerkt)
sagte, er sei vom Fliegenden Personal - früher Tornado (glaub ich) und
nun Eurofighter Typhoon und wir hatten dann ein längeres, sehr
nettes und informatives Gespräch:
[Ich versuche jetzt die Fakten des Gesprächs zu rekonstruieren
und hoffe, dabei nicht allzuviel Begrifflichkeit zu verduddeln.]
Technische Seite (ist alles nicht so einfach, wie im Kino immer gezeigt):
Das Bordradar kann und wird im Tiefflug über Land eingesetzt
(ich habe mich da auf jeden Fall geirrt!)
Aber, die Zielerkennung mit dem Bordradar ist quasi an Geschwindigkeits-
bereiche der Targets gebunden und für das Detektieren von Targets
werden bestimmte Geschwindigkeitsbereiche "herausgeflitert".
Im taktischen Tiefflug sind im Grunde alle "langsamen" Targets (= wir)
weggefiltert, da es mit "all dem Zeug" in Bodennähe ansonsten
zu sehr, sehr vielen Wrong-Target-Detections kommen würde.
"Schon die Flügelspitzen eines Windkraftwerkes werden so schnell
wie ein Kleinflugzeug".
Das Lagegesamtbild im Flieger wird neben dem Bordradar und
den ganz normalen FIS Informationen noch vom millitärischen
Radarsystem - insbesondere in den RAFIS Zonen - per Data-Uplink
"zusammengesetzt".
Jetzt kommt der Flugbetriebliche Kracher:
Im Tiefflug sind die Augen *draussen*!
Alle technischen Lagebildinformationen sind im Tiefflug und
Verbandstiefflug im Grunde nur eine sehr kleine Hilfestellung
zur Kollisionsvermeidung. (und das bei einem 50 Millionen € Flieger! ;))
Der Tiefflug erfolgt VFR und in ganz weiten Teilen
nur durch "Rauschauen und Luftraumbeobachtung"!
Der Wortlaut war in etwa: "Luftraumbeobachtung, Bodenbeobachtung
und das Einhalten der Position zum Verbandspartner erforden
so viel Aufmerksamkeit nach draussen, da kann ich nicht
dauernd auf′s Radar schauen" ;)))
Ich stellte dann auch nochmal die Frage:
"kann man also davon ausgehen, dass das Bordradar nicht
wirklich ein technisches Hilfsmittel ist, das zur konkreten
Kollisionsvermeidung mit Kleinflugzeugen dient?"
Antwort:"Ja, das kann man so sagen".
Ein TACAS oder andere Kollisionsvermeidungssysteme sind
nicht an Bord.
Ich war dann doch sehr beeindruckt von der Auskunftsfreudigkeit
und auch von der technischen Detail-Tiefe der Informationen.
Zusammenfassung:
- Das Bordradar wird eingesetzt
- Im Tiefflug sind wir "Slow-Targets" i.A. "rausgefiltert"
- Was ansonsten doch noch auf dem Bordradar "auftaucht" kann
im Tiefflug nur sehr bedingt zur Kollisionsvermeidung
herangezogen werden.
- Tiefflug geht im Grunde mit "See-and-Aviod"
- unsere Transponderinfos kommen als Sekundärinfos nur über FIS und
oder Mill Radar / RAFIS zum Jetpiloten falls wir "hoch genug" sind
oder bei RAFIS "auf dem Schirm".
[Ich hoffe, ich habe das so halbwegs korrekt zusammengefasst.]
Das Fazit:
Kampfjets im Tiefflug haben kein ausreichend brauchbares
technisches Mittel um Kollisionen mit Kleinflugzeugen damit
zu verhindern!
Das Bordradar taugt in unserem Fall nicht zur Kollisionsvermeidung.
Andere Systeme gibt es nicht.
Und: **Thumbs Up** für die Kollegen vom TaktLwG-31-"B" !!! :)))
BlueSky9
Bleibt als einziges Sicherheitskriterium die hohe Geschwindigkeit.
Ist wie auf der Skipiste. Wenn man ausreichen schneller ist als die anderen braucht man sich um die nicht mehr zu kümmern, weil die paar Zentimeter die die schaffen während man mehrere Meter fährt fallen nicht ins Gewicht - sprach die Hoffnung.
bb
hei
Super BlueSky, danke Dir fuer das Update auf den aktuellen Stand (meiner war gut 20 Jahre alt...).
Chris
BlueSky9 schrieb:Sorry, aber das Fazit ist schon nach allem was Du uns mitgeteilt hast schlicht falsch.
Das Fazit:
Kampfjets im Tiefflug haben kein ausreichend brauchbares
technisches Mittel um Kollisionen mit Kleinflugzeugen damit
zu verhindern!
Auch nach der von Dir eingeholten Information sind die technischen Mittel vorhanden. Ob sie eingesetzt werden oder ob etwas rausgefiltert wird oder ob der Pilot lieber rausschaut als auf das Radar etc. war NICHT die Frage ! Die Frage war vielmehr, ob ein Kampfjet über technische Mittel verfügt, "uns" zu erkennen. Und das ist sehr Wohl der Fall.
DiJoZi schrieb:Die Frage war eher, ob die vor uns im Tiefflug mit Hilfe von Bordmitteln gewarnt werden (TCAS, Radar o.ä.). Und das ist nicht der Fall.
Die Frage war vielmehr, ob ein Kampfjet über technische Mittel verfügt, "uns" zu erkennen. Und das ist sehr Wohl der Fall.
Chris
BlueSky9 schrieb:
Das Lagegesamtbild im Flieger wird neben dem Bordradar und
den ganz normalen FIS Informationen noch vom millitärischen
Radarsystem - insbesondere in den RAFIS Zonen - per Data-Uplink
"zusammengesetzt".
Chris_EDNC schrieb:Der Jägerpilot erhält also ein komplettes Lagegesamtbild, nimmt es aber schlicht nicht zur Kenntnis, oder es interessiert ihn einfach nicht ? Lieber heizt er quasi blind durch die Gegend ? Also, ich gehe jetzt schlafen :-)
Die Frage war eher, ob die vor uns im Tiefflug mit Hilfe von Bordmitteln gewarnt werden (TCAS, Radar o.ä.). Und das ist nicht der Fall.
DiJoZi schrieb:Nochmal: Er bekommt Infos ueber unsere Position von der Bodenstelle. Wenn die uns nicht auf dem Schirm haben, bekommt er keinerlei Infos von denen und auch nicht von seinen Bordsystemen. Es ist im Prinzip und Endeffekt also genau so, wie von BlueSky und mir ganz am Anfang gesagt.
Der Jägerpilot erhält also ein komplettes Lagegesamtbild, nimmt es aber schlicht nicht zur Kenntnis, oder es interessiert ihn einfach nicht ?
DiJoZi schrieb:Er schaut raus und das wars auch schon, reines see & avoid...
Lieber heizt er quasi blind durch die Gegend ?
Chris
Hallo DiJoZi,
sorry - aber du magst es vermutlich nicht verstehen wollen...
Ich hätte mir bei dem Telefonat wirklich seeeehr gewünscht, *du* hättest
Recht gehabt und der Fliegerkollege hätte mir sagen können:
Jungs in euren Klein-Flugzeugen, macht euch keine Gedanken,
wir haben alle technischen Mittel in unseren Kampffliegern
an Bord um euch zu sehen und eine Kollision zu vermeiden.
DAS wäre toll gewesen.
So ist es aber leider nicht!!
Das Lagebild eines tieffligenden KampfJets bzlg. Slow-Targets ist
nach seinen Angaben im Grunde kaum vorhanden.
(technisch bedingt und nicht weil er "kein Bock hat"!)
und Informationen über uns bekommt er dann auch nur "von Aussen"
über FIS & RAFIS. Aber auch nur dann, wenn *wir* da erfasst sind
(Fluhöhe / Fluggebiet / Radarabdeckung).
>
> Der Jägerpilot erhält also ein komplettes Lagegesamtbild,
>
NEIN, das erhält er ganz und gar nicht!!
(ich habe versucht es zu erklären - es ist technisch nicht ganz
trivial und mag mglw. nicht ganz in das "N24 Vorstellungsraster"
passen, welches wir als Laien von so einem System haben könnten)
>
> Er nimmt es aber schlicht nicht zur Kenntnis,
>
Er ist kaum in der Lage es zur Kenntnis nehmen zu können
>
> ...oder es interessiert ihn einfach nicht?
>
Was soll jetzt diese blödsinnige Unterstellung?
>
> Lieber heizt er quasi blind durch die Gegend?
>
Nein - denn er guckt raus!
Weil er kaum andere sinnvoll nutzbare technische Mittel
in seinem Flieger hat um eine Kollision zu verhindern.
(und genau das war die Fragestellung)
Aber du scheinst dich ja besser mit der Flugführung eines
Jets im Tiefflug auszukennen, als der Kollege aus Nörvenich?!
Nochmal JiDoZi, es wäre wirklich super schön gewesen, du hättest
Recht gehabt! Dann wäre nämlich unser Telefonat nach 2 Minuten
zu Ende gewesen, mit der Gewissheit, alles ist gut.
War es aber nicht!
Es war nicht "schwarz / weiß".
Es war "grau"
Es war kompliziert.
Mich besorgt das alles nicht wirklich, weil man sagen kann, dass die
Jet-Flieger das bisher gut hinbekommen haben und Annäherungen und
Kollisionen fast keine Rolle speieln.
Es ist aber schlicht falsch, zu denken/glauben/hoffen, das sei im weitesten Sinne
den "technischen Hyper-Bordmittel-Gizmos" eines Kampfflugzeuges zu verdanken.
Mach′ aus all′ diesen Informationen was was du willst and fly save! :-))
BlueSky9
Was mich an der Sache beruhigt, war mein Prüfungsflug. Mein Prüfer (Ex- Starfighter- und Tornadopilot) hat unterwegs Flieger in einer Entfernung gesehen und mir gezeigt, die hatte ich absolut nicht "auf dem Schirm" (gefühlt waren die in Dänemark unterwegs). Und das als Ruheständler - also mindestens 45 Jahre alt *grins*. Wenn die aktuell rumdüsenden Jetpiloten auch darauf trainiert sind, mache ich mir keine Sorgen.
Gruß Lucky
Hallo,
>
> Wenn die aktuell rumdüsenden Jetpiloten auch darauf trainiert sind, mache ich mir keine Sorgen.
>
Ja - das ist eigentlich auch genau meine Einstellung dazu! :-)
Wir alle (UL-Gondler und Jetflieger) versuchen eine Kollision zu verhindern.
In Summe hat das bisher alles irgendwie gut funktioniert (auch wenn die
C42 aus 1999 da leider eine Ausnahme war.)
Aber im Allgemeinen passts halt doch ;)
BlueSky9
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