Auswertung UL-Unfälle 2009 bis 2013

Forum - Allgemeines & Aktuelles
  • BlueSky9 schrieb:
    Aber warst Du noch nie mit dem Flieger mal ernsthaft auf
    Strecke/Crosscountry (oder wie immer das heißen mag) unterwegs?
    Dann solltest Du solche Situationen wie ich sie meine, durchaus
    kennen und auch schon selbst erlebt haben.
    Ja, war ich, auch wenn ich das nicht oft mache, und da hatte ich auch schon in den sauren Apfel gebissen, weil es mir zu riskant schien. Andere wären trotzdem geflogen. "GAFOR MDD - na super, wird ja besser, auf geht′s!". Und dann lese ich hier Sprüche, wie ja alles "ganz plötzlich" zulaufen kann. Jeder interpretiert "grenzwertige Wetterlage" anders und die jährlich wiederkehrenden Unfälle wegen Einflug in schlechtes Wetter zeigen, dass manche das zu sehr auf die leichte Schulter nehmen.
  • Man muss immer bedenken, das die uns zur Verfügung stehenden Wetterdaten entweder nur den aktuellen Stand abbilden (METAR) oder für die Zukunft nur mit einer gewissen (i.d.R. hohen) Wahrscheinlichkeit zutreffen (GAFOR). Es kann immer ganz anders kommen, als es der Forecast suggeriert, das muss einem immer klar sein.

    Vor einigen Monaten habe ich z.B. folgendes erlebt: Ich war auf einer der Nordseeinseln und wollte zurück ins schöne Ruhrgebiet. GAFOR sagte morgens für die relevanten GAFOR-Gebiete auf der Strecke irgendwas zwischen O und D1. Da ich sehr sicherheitsbewusst bin, war mir das zu heikel. Daher habe ich abgewartet. Gegen Mittag hieß es dann für die gesamte Strecke O, mit einer 30% Wahrscheinlichkeit von leichtem Nieselregen auf etwa der Hälfte der Strecke. Ich fliege also kurz nach Mittag los und merke schon nach 20-30km, dass O hier ganz schön knapp bemessen ist. Die unteren Wolken kratzen schon deutlich an der 2.000ft Grenze. Aber OK: O ist eben O. Nach etwa 60km setzt leichter Regen ein, nicht ganz da, wo erwartet, aber auch noch OK. Aber ab da wird die Sicht immer schlechter. Plötzlich, kurz hinter Papenburg, sehe ich vor mir nur noch weiß - wäre ich da geradeaus reingeflogen, hätte ich wohl nur noch den Schirm ziehen können. Die Wolkenuntergrenze an meiner Position war da schon deutlich unter 2.000 - nach vorn und nach rechts gings gar nicht, nächster Platz war über 30km entfernt. Also nach links ausgewichen, Sicht etwa 6-8km, Höhe etwa 1200ft. Diese Bedingungen sind fliegbar, aber:

    1. Ich habe nicht damit gerechnet und war entsprechend negativ überrascht und

    2. Wenn GAFOR so daneben liegt, wer garantiert mir denn, dass sich die weiße Wand nicht auch noch dorthin ausbreitet, wo ich gerade fliege? Niemand!

    Zum Glück löste sich die Sache nach 10-15 mind. wieder auf und ich konnte der Rest der Strecke halbwegs entspannt nach Hause fliegen.

    Learnings:

    1. GAFOR ist eine Prognose, aber mit einer Wahrscheinlichkeit von X, kommt es anders und wenn man Pech hat, kommt es dramatisch anders.

    2. Rechne immer damit, dass X zutrifft und überlege vorher was du tun kannst, wenn X eintrifft.

  • EDXJ schrieb:
    Ich fliege also kurz nach Mittag los und merke schon nach 20-30km, dass O hier ganz schön knapp bemessen ist. Die unteren Wolken kratzen schon deutlich an der 2.000ft Grenze. Aber OK: O ist eben O. Nach etwa 60km setzt leichter Regen ein, ...
    Wenn Du siehst, dass es sich schlechter entwickelt als gemeldet und trotzdem weiter fliegst, kann ein eventueller Unfall auch nicht als "plötzlich unausweichlich schlechtes Wetter" gewertet werden. Umkehrmöglichkeiten hätte es gegeben. Und das ist typisch für wetterbedingte Abstürze.
  • @JaRa

    Bis zu dem Punkt, an dem du mich zitierst, war es immer noch O. Also immer noch im Rahmen der Prognose und sicher kein Grund umzukehren. Deutlich schlechter wurde es erst später. Und nochmal: Es kann eben trotzdem passieren, dass du dich trotz aller Vorbereitung und Vorsicht in fast unfliegbaren Bedingungen wiederfindest. Das ist eben das Restrisiko, mit dem wir leben müssen. Dieses Restrisiko versuche ich durch umsichtiges Verhalten zu minimieren, aber wenn ich es ganz abschaffen will, muss ich auf Streckenflüge verzichten und mich mit Ausflügen rund um den heimischen Kirchturm begnügen.

  • EDXJ schrieb:
    Dieses Restrisiko versuche ich durch umsichtiges Verhalten zu minimieren, aber wenn ich es ganz abschaffen will, muss ich auf Streckenflüge verzichten und mich mit Ausflügen rund um den heimischen Kirchturm begnügen.
    Ich habe nie angedeutet, dass man den Flieger nur bei GAFOR CCC aus der Halle ziehen soll. Das umsichtige Verhalten, das Du beschreibst, kommt aber leider nicht bei allen an. Schau Dir die Unfallberichte durch Schlechtwetter an: da haben Leute ganz klar zu hoch gepokert. Dafür dann als Ausrede zu nehmen, dass mit dem Wetter ja  jederzeit alles mögliche passieren kann, zieht einfach nicht.
  • JaRa schrieb:
    Schau Dir die Unfallberichte durch Schlechtwetter an: da haben Leute ganz klar zu hoch gepokert. Dafür dann als Ausrede zu nehmen, dass mit dem Wetter ja  jederzeit alles mögliche passieren kann, zieht einfach nicht.
    Wir haben wieder die Woche der Selbstgerechtigkeit?

    Was denn für Unfallberichte durch Schlechtwetter? Sicher, es gibt ein paar, aber eine dramatische Häufigkeit kann ich grad nicht erkennen. Es passiert halt immer mal was, so wie Alkoholunfälle zur Weihnachtsfeiersaison, Schwimmunfälle an der See im Sonner und Ski-Unfälle im Winter.

    Wetter ist heute, wie schon die vergangenen 800.000 Jahre, etwas nur sehr schwer Prognostizierbares. Dennoch sind unsere Hilfsmittel heute deutlich besser als noch vor 20 Jahren. Und ja, damit kann man heute weiter vorausschauen und bessere Entscheidungen fällen - wenn man die Latitüden kennt. Der DWD widmet dem Theme Gafor 10 Seiten Erläuterungen, was es eigentlich bedeutet. Es ist also mehr als nur bunte Bilder. "mit dem Wetter ja  jederzeit alles mögliche passieren kann" - ist tatsächlich eine recht gute Annahme, denn tatsächlich ist das die alle paar Tage gefühlte Realität zum Guten und zum Schlechten. Deswegen lernen wir, es zu erkennen und umzudrehen oder einen Plan B zu haben (Der Alternate im Flugplan). Der Plan B ist nun mal das Erkennen, dass Plan A keine gute Idee war - ein völlig normaler Vorgang.

    Jürgen

  • Gibt es eigentlich jemanden, der die hier bis 2014 geführte Statistik weitergeführt hat?

  • JaRa schrieb:
    Die Bequemlichkeit entscheidet oft.

    In den meisten Fällen wird versucht, den Terminplan einzuhalten. Ungeplante Zwischenübernachtung ausswärts ? Geht gar nicht. Ich habe auch den Eindruck, dass immer mehr Leute ausschließlich nach Navi fliegen und den gar nicht ausschalten können. Und das unabhängig von den Sichtweiten. Ich fliege bewusst nach Karte und bin damit ein "ewig gestriger", nicht mehr zeitgemäß usw. Der Trend geht zum Einsteigen und Losfliegen. Mich würde mal die Meinung der Fluglehrer interessieren. Ich habe neulich mal einen Ingenieur mit Masterabschluss die einfachsten Fragen der Trigonometrie gestellt, wusste der nicht. Das ist der Trend in der Ausbildung, das Niveau wird nach unten angepasst, auswendig lernen steht im Vordergrund, so dass es jeder schafft und die Ausbildung muss ganz schnell gehen. Zum Fliegen gehört eine ordentliche Portion gesunder Menschenverstand und Risikobewusstsein.

  • Hallo,

    >
    > Ich fliege bewusst nach Karte...
    >

    Das ist schön - aber auch das "bewusst nach Karte fliegen" kann
    und wird nicht verhindern, dass Du möglicherweise in Mistwetter
    einfliegst.


    >
    > Wir haben wieder die Woche der Selbstgerechtigkeit?
    >

    Das scheint mir gerade auch so.

    Ich will sogar noch einen Schritt weiter gehen:

    Ich würde sagen, das:

    "Die Anderen haben da zu hoch gepokert, mir
    passiert das nicht, denn ich gebe ja acht"

    ...ist ein (lebens) gefährlicher Selbstbetrug.


    Aber wer beruhigt damit fliegt...  von mir aus.


    Ich will mir nur nicht nachsagen lassen, ich sei
    nicht akkurat und äußerst Situationsbewusst in
    meiner Flugvorbereitung oder meiner
    Flugdurchführung - nur weil ich nicht dem
    Selbstbetrug erliege, niemals auch mal in
    Schlechtwetter einfliegen zu können!



    BlueSky9

  • onkelmuetze schrieb:
    Würdest du die beiden Fehlentscheidungen mit uns teilen? Man kann nur draus lernen...
    Ja klar.

    Erstes Erlebnis war nicht lange nach meinem Scheinerhalt, Flug mit Passagier. Sommer, 4/8 Wolken. Ich liebe es, zwischen den Wolken rumzufliegen und bei dem Flug gab es eine Formation mit links und rechts sehr hohen Wolken, welche unten zusammen stiessen. Also wie ein V. Da wollte ich durchfliegen, musste dafuer aber steigen. Zu Anfang total verschaetzt, wie hoch ich steigen musste, um da durch zu kommen, dachte das ist nur ein ganz kurzer Steigflug noetig. Na jedenfalls kamen die Wolken links und rechts immer naeher und die Kiste wollte einfach kaum noch steigen, umdrehen ging schon nicht mehr, Fahrt war natuerlich bereits am unteren Ende. Ein ausgepraegter Tunnelblick setzte ein, der Blick wanderte Richtung roter Griff. Aber es reichte dann noch gerade eben so.

    Zweites Erlebnis war auf La Reunion, Touristenflug die 523te. Man hat natuerlich alles im Griff, ist Herr ueber die 4 Elemente, was kann mir das alles schon... Mit Passagier angeregt unterhalten, dies und jenes gezeigt, was man halt so macht. Route fuehrte von Mafate nach Salazie zwischen 2 grossen Bergen durch (Roche Ecrite und Cimendef) ueber den Col de Cimendef. Hier mal ein Foto (aber von der anderen Seite, Blick geht Richtung Mafate):



    Man sieht: Auch hier wieder dieses V aehnlich wie im ersten Beispiel. Aber hier war ich Anfangs nicht so unendlich daemlich wie damals, sondern natuerlich mit gut Hoehenueberschuss und voller Reisegeschwindigkeit unterwegs. Alles wunderbar. Es herrschte Ostwind, der aber im Vergleich zum vorigen Flug ziemlich aufgedreht hatte. Normalerweise bekommt man das mit, da ziemliche (manchmal extrem heftige) Turbulenzen einem sehr deutlich mitteilen, dass die Luft um einen in Bewegung ist. Aber nicht hier und nicht heute. Die Luft war wie Samt und Seide. Weiter mit Passagier gequatscht, waehrend es auf den Col de Cimendef zuging. Und dann merkte ich ploetzlich, wie die beiden Berge links und rechts immer hoeher wurden, sie wuchsen foermlich aus der Landschaft heraus. Und nun begann die Fehlerkette, statt sofort umzudrehen ging die Hand zum Gashebel und Trimmung... Und da war er wieder, der Tunnelblick. Unfaehig, noch irgendwie vernuenftig zu entscheiden zog ich immer mehr Fahrt weg, um doch noch ueber den Pass zu kommen. Umdrehen war ziemlich bald kein Thema mehr, weil kein Platz. Es reichte am Ende gerade noch so, max. 100 Meter waren vielleicht noch Platz nach unten. Rueckblickend glaube ich, dass ich kerzengerade in die Felswand geflogen waere, wenn es nicht gereicht haette. Das war kurz vorher wem anders mit einer C172 und 3 Passagieren an einer anderen Stelle der Insel passiert, einfach in die Felswandgeflogen, als er ueber den Col du Taibit wollte, garantiert wurde auch der von einem Abwindfeld erfasst, ohne es zu bemerken.

    Ob mir sowas wieder passieren kann, nachdem ich derart vorgewarnt bin? Ich hoffe nicht...


    Chris

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