Auswertung UL-Unfälle 2009 bis 2013

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  • Hallo,

    da es keine vernünftige Unfallstatistik für ULs gibt und hier gleichzeitig fast schon Glaubenskriege über das Risiko unseres Hobbys geführt werden, habe ich einfach mal eine Auswertung selbst erstellt - und zwar für Deutschland und die Jahre 2009 bis 2013 (mehr als 5 Jahre waren mir erst mal zuviel Arbeit - außerdem ist es für die Jahre davor wohl schwerer, an einigermaßen vollständige Daten zu kommen). Das ganze habe ich für mich gemacht, um mehr über Risiko und Fehlervermeidung herauszufinden. Aber vielleicht interessiert es ja auch andere...

    Für die Auswertung habe ich mir aus der WikiBase des Aviation Safety Network alle Unfälle mit 3-achs ULs in Deutschland herausgesucht und diese mit den Untersuchungsberichten und Bulletins der BFU abgeglichen. Zur Kontrolle habe ich noch das (zweifelhafte) "Absturzblog" bemüht (und noch einen Unfall mit Leichtverletzten gefunden). Damit ist natürlich keine Vollständigkeit garantiert - ich habe aber den Eindruck, dass es praktisch jeder schwere Unfall (Tote oder Schwerverletzte) in die Presse und damit auch in die ASN-WikiBase schafft.

    Dann habe ich die Unfälle in 4 Kategorien eingeteilt - manchmal vielleicht etwas willkürlich, aber vermutlich doch weitgehend "konsensfähig":
    • A - "Dummheit": Unfall vom Piloten grob fahrlässig herbeigeführt, Beispiele: "Showflug", Einflug in IMC, extreme Überladung, Start trotz bekannter Probleme, Spritmangel
    • B - "Fehler": Falsche Reaktion in Problemsituation, Beispiele: Fehlgeschlagene Notlandung, Abkippen
    • C - "Pech": Praktisch unvermeidbar, Beispiele: Kollision, obwohl nicht ausweichpflichtig, Luftzerleger
    • ?: Ursache unklar
    Anschließend habe ich mit den Resultaten etwas herumgerechnet. Hier meine Schlussfolgerungen:
    • In den untersuchten Jahren gibt es im Schnitt 10 Tote und 17,2 Schwerverletzte sowie 6,6 Unfälle mit Toten (und die Anzahl dieser Unfälle bestimmt ja das individuelle Risiko, das Fliegen nicht zu überleben).
    • Mindestens ein Drittel der tödlichen Unfälle im Zeitraum (11 von 33) gehört in die Kategorie A. Sie waren schlichtweg überflüssig.
    • Nur 4 der Unfälle waren eindeutig sicher echtes Pech und praktisch unausweichlich.
    • Wenn man etwas über 30 Flugstunden pro Jahr und pro Lizenzinhaber annimmt, kommt man auf die gleiche Unfallrate wie in der General Aviation in den USA (dafür gibt es Zahlen). Das wären dann etwa 140 Stunden pro zugelassenem UL - viel für Privatbesitz, wenig für Vereinsmaschinen und Schulflugzeuge (könnte also halbwegs passen).
    • Ohne die "Dummheits-Unfälle" sähe die Quote natürlich deutlich besser aus.
    • Rein rechnerisch verunglückt man alle 2618 Jahre tödlich.
    • Nicht extra ausgewertet: Das Rettungssystem kann funktionieren - man muss nur rechtzeitig am roten Griff ziehen und es muss ordentlich integriert sein.
    • Was kann man tun? Keine Dummheiten machen! Trainieren, dass man bei Problemen die Kiste nicht in Bodennähe stallt (mentale Vorbereitung, Langsamflug und Stall in sicherer Höhe üben, evtl. Sicherheitstraining)! Und etwas Glück haben.
    Ich freue mich auf eine hoffentlich nützliche (also sicherheitsfördernde) Diskussion. Dass die Auswertung nicht perfekt sein kann (dazu müssten die Daten besser sein), ist mir auch ohne entsprechende Hinweise klar - über sachkundige Kommentare zu methodischen Schwächen und vor allem Hinweise für Verbesserungen würde ich mich freuen.

    Die Auswertung gibt es hier.

    Viele Grüße, Holm- und Rippenbruch
    MCRider

    P.S.: Warum bekommen unsere Verbände so etwas nicht hin?

    EDIT: Wie die folgende Diskussion zeigt, waren die Kategorie-Bezeichnungen sehr unglücklich gewählt. Hier die Version 2, die hoffentlich besser ist. Außerdem ist dort noch der unten angesprochene Rechenfehler beseitigt.
  • Moin MCRider,

    ich kann nur sagen: Cool! Thumps Up

    Bye Thomas
  • Vielen Dank dafür, dass Du die Ergebnisse Deiner Untersuchung hier vorstellst. Finde ich wirklich gut und hilfreich !
  • Danke für Deine Mühe!!


    Allerdings empfinde ich die Kategorien "Pech" aber vor allem "Dummheit", sagen wir mal, mehr als unglücklich!


    Michael

  • FlyingDentist schrieb:
    Allerdings empfinde ich die Kategorien "Pech" aber vor allem "Dummheit", sagen wir mal, mehr als unglücklich!
    Als BFU-Mitarbeiter hätte ich das sicher nicht so genannt - dort würde man auch nie direkt "grobe Fahrlässigkeit" sagen, sondern eine Umschreibung wählen, die man aber trotzdem versteht. Aber es bringt die Sache auf den Punkt, die Begriffe stehen immerhin in Anführungszeichen und werden nur einml bei der Erklärung der Kategorien benutzt. Bei Todesfällen mehr oder weniger direkt von "selbst schuld" zu sprechen ist auch hart (und vielleicht sogar pietätlos) - nur lernt man sonst wirklich was daraus?

    Es fehlt noch eine Quellenangabe: Die Zahlen der Lizenzen und zugelassenen Dreiachser (für DAeC und DULV zusammen) stammen aus dem Jahresbericht 2012 des DAeC-Luftsportgerätebüros.

    Und noch was: Ich hatte überlegt, ob ich die Daten zu Kennzeichen und Halter löschen sollte - aber das steht ja sowieso offen im Internet (ASN) und in den meisten Ländern wird das Kennzeichen in Unfallberichten ebenfalls genannt.
  • Hallo MC Rider,

    jetzt machst Du Dir so viel Mühe und bringst dann eine Auswertung die so oberflächlich ist das Sie den Namen kaum verdient.
    Vielleicht erweiterst Du das Spektrum einmal. Ich denke der ein oder andere hat da Ideen.

    Was mich zum Beispiel interessiert:

    Was für ULs waren das und im Vergleich zu der Anzahl der Zugelassenen in dem Zeitraum.
    Was war Konstruktionsbedingt und führte zum Grounding oder in eine LTA damit das Risiko für die Zukunft minimiert wird.
    Wie alt waren die ULS im Durchnitt?
    Welche Motoren? 4 Takt, 2 Takt , Hersteller bei Motorproblemen...
    Wie viele waren überladen und wie viele davon hatten einen Strömungsabriss in geringer Höhe.
    Wie viele Kollisionen? Davon UL vs Segler  UL vs Motorflug etc.

    Das bringt dann mehr transparenz. Ein Abriss in geringer Höhe kann auch daher kommen das ein überladenes UL an die grenzen im Handbuch geflogen wird. Für dich ist das einfach nur "Dumm"? 

    Würde mich über ein Update freuen.
  • dsommerfeld schrieb:
    jetzt machst Du Dir so viel Mühe und bringst dann eine Auswertung die so oberflächlich ist das Sie den Namen kaum verdient.
    Nur damit die Maßstäbe nicht verloren gehen: Das ist meine ganz persönliche Auswertung, die ich hier zur Verfügung stelle, um daraus etwas zu lernen und vielleicht auch anderen zu helfen. Also: weder für Geld noch für Ruhm un Ehre erstellt...

    dsommerfeld schrieb:
    Was für ULs waren das und im Vergleich zu der Anzahl der Zugelassenen in dem Zeitraum.
    Was war Konstruktionsbedingt und führte zum Grounding oder in eine LTA damit das Risiko für die Zukunft minimiert wird.
    Wie alt waren die ULS im Durchnitt?
    Welche Motoren? 4 Takt, 2 Takt , Hersteller bei Motorproblemen...
    Wie viele waren überladen und wie viele davon hatten einen Strömungsabriss in geringer Höhe.
    Wie viele Kollisionen? Davon UL vs Segler  UL vs Motorflug etc.
    Viele Infos gibt es einfach nicht - jedenfalls nicht für mich zugänglich (Anzahl zugelassener ULs nach Typ, Alter). Der Typ ist ja meistens bekannt, der Motor damit oft auch. Motorausfälle sind aber garantiert nicht vollständig erfasst, also ist die Auswahl der Fälle für eine Analyse der Zuverläassigkeit von Motoren kaum repräsentativ. Überladung geht aus den BFU-Berichten hervor (und fast zu jedem tödlichen Unfall im Zeitraum gibt es einen Bericht) und steht in der Spalte "Beschreibung/Ursache". Kollision ja/nein geht aus aus der Liste hervor (zwei tödliche Unfälle, einmal Schuld beim UL-Piloten - einmal nicht).

    EDIT: Man muss aufpassen, keine Fakten aus den Daten zu quetschen, die da nicht drin sind. So ist z.B. das Buch "The Killing Zone: How & Why Pilots Die" durchaus interessant, aber die Kernthese ist unbewiesen: Der Autor meint, das Piloten mit 50 bis 350 Stunden besonders häufig verunglücken, weil ein großer Anteil der Opfer diese Stundenzahlen hat. Das kann stimmen, aber für einen Beweis muss man erst mal wissen, welchen Anteil diese Gruppe an der Gesamtheit hat (vermutlich einen sehr großen).

    Verbesserungen und Erweiterungen sind willkommen. Heute Abend stelle ich gerne die Original-Excel-Datei ein - da darf jeder gerne erweitern.

    dsommerfeld schrieb:
    Ein Abriss in geringer Höhe kann auch
    daher kommen das ein überladenes UL an die grenzen im Handbuch geflogen
    wird. Für dich ist das einfach nur "Dumm"?
    Der Begriff "Dummheit" polarisiert vielleicht wirklich zu sehr (der Einwand von FD ist also berechtigt). Aber ein freiwilliges Fliegen an den Betriebsgrenzen (also z.B. nicht erzwungene, steile und langsame Kurven in Bodennähe) bei gleichzeitger bekannter erheblicher (!) Überladung ist für mich grob fahrlässig. Ist die Überladung nicht bekannt (Charter- oder Vereinsmaschine mit erlogener Leermasse auf dem vorgeschriebenen Aufkleber), sieht das etwas anders aus. Also sollte ich Kategorie A wohl besser "leicht vermeidbar" nennen.

    Noch was: Ich will keine Gewichtsdiskussion starten - aber ignorieren macht es ja auch nicht besser. Und es wäre eigentlich eher eine Schwerpunkt-Diskussion, denn Strukturversagen oder mangelnde Steigleistung durch Überladung gibt es ja selten bis gar nicht.

    MCRider
  • Hallo MCRider,

    zunächst einmal Danke für Deine Arbeit. Erschreckend!

    Ich komme allerdings mit der Anzahl der Schwerverletzten nicht ganz zurecht: Wenn ich die Tabelle mit den Ereignissen mit der Auswertung vergleiche, scheint da irgendwo eine Diskrepanz zu bestehen?

    Wirklich interessant wäre einmal die tatsächliche Anzahl aller Flugstunden der Dreiachs-UL in Deutschland.

    Grüsse
    Thomas
  • GTi schrieb:
    Erschreckend!
    Eine Frage des Standpunktes. Dass das Risiko beherrschbarer ist, als mit bisher mein Bauchgefühl gesagt hat, ist positiv. Die vermeidbaren Unfälle sind durchaus erschreckend.

    GTi schrieb:
    Ich
    komme allerdings mit der Anzahl der Schwerverletzten nicht ganz
    zurecht: Wenn ich die Tabelle mit den Ereignissen mit der Auswertung
    vergleiche, scheint da irgendwo eine Diskrepanz zu bestehen?
    Danke für den Hinweis! Das ist ein Excel-Pivottabellen-Anwendungsfehler (da wurden Felder gezählt statt deren Inhalte aufaddiert). Es sind 31 in den 5 Jahren. Die anderen Spalten stimmen. Wird heute Abend korrigiert...

    GTi schrieb:
    Wirklich interessant wäre einmal die tatsächliche Anzahl aller Flugstunden der Dreiachs-UL in Deutschland.
    Die werden unbekannt sein. In der Verkehrsluftfahrt sind die offenbar bekannt (vermutlich aus den Flugplänen). In den USA gibt es wohl die besten Statistiken und die schätzen bei der General Aviation auch nur.

    So und jetzt muss ich wieder an die Arbeit...
  • Hallo MCRider,

    danke für diese (vermutlich mühevolle) Arbeit!
    Diese kompakte Auflistung aller Vorfälle schafft
    doch einen sehr guten Überblick.

    Jedoch muss ich FD voll und ganz zustimmen:

    Einen großen Teil der Unfälle einfach mit "Dummheit"
    und "grob fahrlässig" quasi abzuurteilen läuft Deiner guten
    Arbeit mehr als zuwider und lässt Deine "Auswertung"
    in einem eher zweifelhaften Licht erscheinen.

    Auch ist es zur Unfallvermeidung nicht wirklich hilfreich
    zu sagen: Das war ja nur "Dummheit".

    Keiner der Piloten ist gestartet und hat sich gesagt:
    "Ach, heute mache ich doch mal was Dummes, mal
     schauen, ob ich es überlebe".

    Somit kann jeder ein Opfer einer im Nachhinen
    betrachtet ebenso "dummen" Aktion werden!

    Nebenbei wage ich zu bezweifeln, das sich irgendwer
    anmaßen sollte, einen Unfall schlicht mit "Dummheit"
    zu bewerten, wenn er in genau diesem Moment
    dort nicht selbst anwesend war und die wirklichen
    Umstände kennt.

    (Ganz zu schweigen von dem, was die evtl. Hinterbliebenen
     durchmachen, die dann bei all dem Elend auch noch so einen
     Mist (sorry) lesen müssen)

    Ja - ich bin auch schon in IMC eingeflogen!
    Das war leider weder geplant noch war es sehr lustig.
    Vermutlich bin ich aber Deiner Einstufung nach
    einfach nur "dumm"!?!

    Mein Vorschlag:
    Mach aus Deiner Arbeit das, was sie wert ist, nämlich
    was seriöses und nimm′ diese vollkommen subjektive
    und wenig professionelle "Dumm, Mittel, Pech" Verurteilung
    heraus.

    Dann gibt′s  volle 100 Punkte!    :-)


    Es sei denn, Du möchtest für Dich selbst, das Risiko
    sagen wir mal "kleinreden" in dem Du sagts:
    "Das war ja Dummheit, dass kan mir schonmal
    nicht passieren, denn dumme Sachen machen nur
    die Anderen."
      ??

    hmmm... dann viel Glück beim Überleben  ;)))


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