Sinn oder Unsinn von Gefahren-Übungen

Forum - Unfallprävention
  • Ich denke, dass Chris′ Einstellung einer der Gründe ist, dass er nach 20 Jahren Fliegerei immer noch lebt. :-)

    Ich geselle mich dazu und bezeichne mich tendenziell auch eher aus Schisser. Man könnte es vielleicht ′n büschen netter ausdrücken und sagen, man hätte Mordsrespekt vor den Risiken der Fliegerei aber im Grunde ist es wohl genau das, was einen alt und glücklich werden lässt. Bei mistigem Wetter eben lieber unten zu bleiben und sich zu wünschen, man wäre doch geflogen, statt oben orientierungslos rumzueiern und sich zu wünschen, man wäre unten geblieben.

    Ich lese aus Interesse häufig Unfallberichte, um daraus zu lernen. Oft genug passieren Unfälle im Landeanflug und ich gehe daher längst nicht mehr mit einer solchen Querneigung in den Endteil, wie noch zu Beginn der Ausbildung. Aus Angst. Aber in dem positiven Sinne, der mir den Arsch rettet und nicht in dem Sinne, dass ich in Panik geraten könnte.

    Die Stallübungen in sicherer Höhe mit meinem Fluglehrer waren Gold wert. Dieses "...pass mal auf, was passiert, wenn Du  mit Querneigung im Stall das Querruder benutzen willst, um den Flieger auszurichten..." war die geilste Achterbahn, die ich kenne. JETZT weiß ich aus Erfahrung, dass dann nur noch das Seitenruder zählt. Ob ich das auch nur aus der Theorie so verinnerlicht hätte, kann ich natürlich nicht mit Sicherheit sagen aber ich glaube nicht! Für das ein oder andere Verfahren kann ich mir vorstellen, auch später ab und zu mal meinen Fluglehrer zum üben mitzunehmen.

    Auch die Diskussion vor Monaten, ob man mit dem Knüppel oder mit dem Gas die Geschwindigkeit regelt, hat mich in meinem gelernten Verhalten bestärkt, weil ich bei plötzlichem Leistungsverlust instinktiv nicht als erstes versuche, mehr Gas zu geben, sondern erstmal die Nase runternehme, um Fahrt aufzubauen (oder beizubehalten).

    Allein der Austausch hier im Forum (oder auf dem Platz mit den Fliegerkollegen) hilft schon mal weiter, weil man sich gedanklich mit der Materie auseinandersetzt, statt nur ab und zu mal zu fliegen und die gelernten Verfahren in Extremsituationen so langsam in  Vergessenheit geraten zu lassen.

    Gruß Lucky

  • Mglw. ist auch eine gute Selbstwahrnehmung nicht ganz unwichtig. Ich z. B. bin eher langsam in der Rübe (ist natüüüüürlich das Alter :-)). Bevor ich mental etwas verarbeitet habe, ist die AB-Ausfahrt schon vorbei :-). Ich _muss_ diese Situationen üben, damit sich bei mir Automatismen ein"graben". Ansonsten würde ich wohl ziemlich weit oben auf der Kandidatenliste stehen ...

    Es gibt auch bei uns Menschen, die sind einfach superfix in der Birne. Die verarbeiten so etwas in Millisekunden und können wahrscheinlich blitzartig die richtige Entscheidung fällen. Ja, ich bin neidisch! :-)

    Bye Thomas

  • QDM schrieb:
    Erfahrene FI s  ( und auch viele sehr erfahrener Flieger) neigen zu einer  höheren Risikobereitschaft
    Ich würde gerne mal den Begriff "Risikobereitschaft" relativieren und zerlegen. Erfahrung produziert Wissen und Handlungsroutine. So ist eine Flugplanung mit Gafor D4/M5 Stücken keine erhöhte Risikobereitschaft - für den, der routiniert aus der Entfernung das Wetter beurteilen kann und mit ebensolcher Routine bei Annäherung die richtigen Schlüsse daraus zieht. Erfahrung produziert nicht mehr Gefahr durch Risiko. Man fliegt nur häufiger, weil man Risiko besser differenzieren kann und in Gefahr und Unbequem zerlegt. "Erfahrung" bedeutet auch die Folgen zu kennen, Montag morgen NICHT am Schreibtisch zu sitzen, weil man wegen Wetter irgendwo wegen des Wetters nicht nach Hause gekommen ist. Erstaunlich viele Leute entwickeln Sonntags eine Homeitis oder fliegen garnicht erst los, weil sie Angst vor Nachteilen im Job haben. Wenn man das schon ein paar mal gemacht hat und WEISS, dass man dafür nicht geköpft wird (so oder so), ist das eine "Erfahrung", die Entscheidungen ganz anders entstehen lässt. Es ist nicht immer mehr Risiko.

    Frank

  • Chris_EDNC schrieb:
    Ohne es jetzt genau ausgewertet zu haben kommt es mir so vor, als ob in der grossen Mehrheit sehr erfahrene Piloten verungluecken. Sehr oft Fluglehrer.

    Es sind wenig im Vergleich zu den Unfällen, die sich aus einer an sich noch beherrschbaren Situation raus entwickelt haben und mangels entsprechender Übung in die Hose gingen. Man sollte natürlich auch nur das lehren, was man selbst im Griff hat und was die Maschine auch kann. Das nimmt sich scheinbar nicht jeder Lehrer zu Herzen.
    "Erfahren" heißt zunächst nur "viele Flugstunden", nicht mehr und nicht weniger. Wenn in diesen vielen Flugstunden nie oder nur selten Notsituationen geübt wurden, ist das wenig wert. In mancher Hinsicht sogar kontraproduktiv, weil sich Wahrnehmung und Motorik so sehr an den Normalflug gewöhnt haben, dass man in einem kritischen Flugzustand mit seinem Latein am Ende ist und aus Panik falsch handelt. Überziehen in Bodennähe, Skid statt koordinierter Kurve - Beispiele gibt es genug. In so einer Situation kann man nur auf das zurückgreifen, was auch wirklich sitzt, und dazu reicht es auch nicht, die Maschine alle paar Jahre mal in 5000ft kurz zu überziehen.

    Chris_EDNC schrieb:
    Bei mir draengt sich der Gedanke auf, dass gerade dieses Gefuehl der "Unverwundbarkeit", des "alles im Griff habens" und ich kenne den Flieger in jeder Situation aus dem eff eff die Leute umbringt.

    Das ist ein guter Punkt. Unabhängig von den Übungen und der Flugerfahrung darf ein Pilot natürlich nie den Bezug zur Realität verlieren.

    Die Kritiker von Notfallübungen haben nicht verstanden, dass es ein ganz gewaltiger Unterschied ist, einfach nur mal über Notsitationen nachgedacht zu haben und es dann wirklich mal in einer solchen anwenden zu müssen. Sich auf die Tatsache zu verlassen, dass man das damals in der Ausbildung ja schon mehr oder weniger geübt hat und dass es schon irgendwie gut gehen wird, weil in den letzten 1000 Stunden ja auch nix passiert ist, ist russisch Roulette. In so einer Situation geht nämlich ohne fundierte Übung gar nichts mehr.

  • BravoEcho schrieb:
    Wie sieht denn eigentlich die Entwicklung bei Flugsimulatoren aus?

    Die können solche Übungen vorbereiten und ergänzen, aber nicht ganz ersetzen. Außerdem kann man, gutes Flugmodell vorausgesetzt, etliche "what ifs" stressfrei ausprobieren. In manchen Situationen kommt es allerdings auch aufs Arschgefühl an und das kann man in einem Simulator nur begrenzt rüberbringen. Aber egal wie gut der Simulator ist, der größte Unterschied zur realen Übung wird der psychologische Effekt bleiben. Genau so wie es auch einen Unterschied macht, eine reale Übung mit Lehrer zu machen oder im Ernstfall auf sich alleine gestellt zu sein.

  • Rüdiger schrieb:
    Auch Trudeln sollte ein UL′ler ausleiten können.

    Kann nicht schaden, aber da unsere Spaßflugzeuge so ausgelegt sind, dass sie wenn sie nicht gerade fehlballastiert werden sowieso nicht stationär trudeln (es sei denn der Hersteller kam in seinem unermesslichen Ratschluss auf die geniale Idee, das Problem durch Verzicht auf Trudelerprobung und statt dessen Verweis aufs Rettungsgerät beheben zu können), ist das eigentliche Ausleiten nur in wenigen Fällen relevant. Viel wichtiger halte ich die Erfahrung, die man bis zum Abkippen sammelt, nämlich wie sich das Flugzeug verhält und wie weit der Knüppel bis dahin gezogen ist. Das muss ins Blut gehen, so dass man es im Ernstfall durch intuitiv korrektes Steuern erst gar nicht dazu kommen lässt.

  • JaRa schrieb:
    Die Kritiker von Notfallübungen haben nicht verstanden, dass es ein ganz gewaltiger Unterschied ist, einfach nur mal über Notsitationen nachgedacht zu haben und es dann wirklich mal in einer solchen anwenden zu müssen.
    Ich hoffe, es ist ruebergekommen, dass ich das nicht pauschal kritisiere, sondern lediglich hinterfrage.

    Ich wuerde gerne mal ein intensiveres Training absolvieren, auf dem eigenen Flugzeug mit einer Person, der ich 100% vertraue (und die auch Geduld mitbringt). Mal schauen, wann sich da etwas ergibt, solange fliege ich halt weiter straight and level... ;)


    Chris

  • JaRa schrieb:
    Rüdiger schrieb:
    Auch Trudeln sollte ein UL′ler ausleiten können.

    JaRa schrieb:
    etliche "what ifs" stressfrei ausprobieren.
    Das sind alles Ergebnis-Szenarien. "Erfahrung" und Sicherheit besteht doch darin, erst garnicht in die Situation zu kommen. Deswegen verwendet man ja Erfahrung, um nicht aus dem Speed-Envelope zu fallen und Stallen/Trudeln zu müssen. Wenn das Eintritt, ist doch bereits vorher extrem viel falsch gelaufen. Der Stall ist dann nur die Spitze des Fehler-Eisbergs, die letzten 5%. Wäre es nicht sinnvoller, die 95% davor wirksam abzustellen?

    Frank

  • FranHaus schrieb:
    Deswegen verwendet man ja Erfahrung, um nicht aus dem Speed-Envelope zu fallen und Stallen/Trudeln zu müssen. Wenn das Eintritt, ist doch bereits vorher extrem viel falsch gelaufen. Der Stall ist dann nur die Spitze des Fehler-Eisbergs, die letzten 5%. Wäre es nicht sinnvoller, die 95% davor wirksam abzustellen?
    Nicht falsch, aber die letzten 5 % auch noch zu beherrschen, kann ja nicht verkehrt sein!

    Vielleicht bin ich geistig noch mehr in den Erfahrungen mit dem Gebirgssegelfliegen verhaftet. Da ist nix mit "Vermeiden", da ist man sehr schnell mal im Trudeln, wenn man einen Leebart kurbelt, oder mit einem Föhnrotor zu tun hat. Wer nicht blitzartig mit dem Gegenseitenruder reagiert, hat dann nur eine geringe Halbwertszeit. Wer mit dem Gegenquerruder agiert, hat dann meist sein Leben verwirkt. Ich kenne leider nicht wenige Grabsteine, unter denen einige der mir bekannten "Vermeider" liegen, also jene, die aus ihrer Angst eine Ideologie machten.

    Dass man aus einem überzogenen Zustand sofort mit dem Nachdrücken reagieren muss, ist wohl schon Teil der Grundausbildung. Wer bei bestimmten Flugzeugtypen zuerst Gas gibt, könnte damit ins Flachtrudeln kommen. Dazu noch Gegenquerruder, dann hat sich′s. Falscher geht es nicht mehr.

  • Ich glaube es zeigt sich hier ein Unterschied zwischen reinen UL-Fliegern und Solchen, die auch anderes (insbesondere Segelflugzeuge) fliegen.

    Rüdiger

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