Unfallakte / mißglückte Notfallübung

Forum - Unfallprävention
  • Im aktuellen Fliegermagazin (Nr 5 / Mai 2016) wird von einer mißglückten Notfallübung mit einer Wilga berichtet.

    Nach einem simulierten Motorausfall kurz nach dem Abheben reicht die Höhe nicht aus, um den Sinkflug und das Abfangen auszusteuern. Der Taildragger setzt mit zu viel Längsneigung bzw. Sinkgeschwindigkeit auf, macht drei Sprünge, berührt ab dem zweiten Sprung mit dem Propeller den Boden und überschlägt sich dann. Beide Piloten kommen ums Leben.

    Dem Bericht nach ist es typisch für die Wilga, dass das Manöver nur mit erheblichem Höhenverlust geflogen werden kann.

    Auch wenn die meisten UL, und insbesondere die mit Dreibeinfahrwerk, harmloser sein dürften, ist die Motorausfallübung in Bodennähe meiner Ansicht nach mit viel Respekt zu betrachten. Der Bericht im Fliegermagazin könnte anregen, entsprechende Experimente mit Vorsicht anzugehen und sich die notwendigen Parameter schrittweise und mit reichlich Sicherheit zu erfliegen, wenn man es denn überhaupt riskieren will.

    Gruß Techbär

  • Ich könnte meinen Fluglehrer nicht dazu bringen unterhalb von 2000 ft AGL eine Notlandeübung einzuleiten. Außerdem ist er der Meinung, dass bis 500 ft AGL die Todeszone liegt bei der man wenig Optionen hat.

    Wir haben hinter der Startbahn eine Baumreihe die ich bei einem normalen Start bei ca 300 ft AGL überquere. Fällt nach dem Abheben der Motor aus kann ich mir kurz überlegen ob ich noch vor der Baumreihe herunterkomme, die Lücke zwischen zwei Bäumen anpeile oder die Bäume überfliege um anschließend im umgepflügten Acker aufzusetzen. Bin ich mir nicht sicher, ziehe ich den Schirm und hoffe das er bei meiner augenblicklichen Höhe noch etwas ausrichten kann. Unsere Notfallübung für Motorausfälle in geringer Höhe besteht aus einem mentalen Training.

    VG

    Thomas

  • Mit einem fliegenden Widerstand passiert so etwas ganz schnell einmal. Und die Wilga ist ja nicht gerade eine Ausgeburt an Aerodynamik.

    Andererseits ist ein Leistungsverlust, wenn er denn eintritt, im Anfangssteigflug am wahrscheinlichsten und dann auch am dramatischten. Man wundert sich, wie schnell der Fahrtmesser bei dem Anstellwinkel nach untern rauscht und man stumpf herunterfällt.

    Wer es nicht glaubt, kann ja mal einfach so wie zu Beginn weitersteigen und später bei 2.000 ft, abruppt das Gas rausziehen. Dann sich noch vorstellen, dass die Sache plötzlich und ohne Vorwarnung passiert und sich dann ausmalen, dass man nur 10 bis 30 Meter Höhe unterm Hintern hat.

    In der Eckoausbildung wird das bei uns am Platz regelmässig trainiert und ist nicht wirklich dramatisch, wenn man es ein paarmal gemacht hat.

  • schrieb:
    Auch wenn die meisten UL, und insbesondere die mit Dreibeinfahrwerk, harmloser sein dürften, ist die Motorausfallübung in Bodennähe meiner Ansicht nach mit viel Respekt zu betrachten
    Zweifellos. Es gab unter Fluglehrern schon immer eine rege Diskussion, wie mit diesem Risiko umzugehen sei und das wird sich auch nicht ändern. Ich bin überzeugt, dass solche Übungen unersetzbar sind und mit Bedacht regelmäßig geübt werden sollten, auch ausserhalb der Schulung. Neben der Vertiefung der fliegerischen Fähigkeiten lernt man dabei vor allem, die Situation auch mental zu meistern. Denn alle Theorie und perfektionierten Flugübungen in großer Höhe sind nutzlos gegen den Schock im Ernstfall. Wer das nicht macht, mag sich zwar während der Ausbildung in Sicherheit wägen, wandert im Ernstfall aber garantiert in eine BFU-Akte. Die Unfälle, die aus einer relativ harmlosen Ausgangssituation heraus durch eine Verkettung von Pilotenfehlern entstanden sind, wiederholen sich jährlich.

    Beim Autofahren ist′s ähnlich: was man im "Schleuderkurs" lernt, weiß eigentlich jeder Autofahrer, zumindest hat er′s ja zur Theorieprüfung brav auswendig gelernt. Es in der Praxis konsequent anzuwenden geht aber nur durch Übung. Beim Autofahren ist′s noch einfacher als beim Fliegen, da fahrerische Inkompetenz in gewissen Grenzen durch Idiotensicherheiten wie ESP und ABS ausgebügelt werden können.

    Leider sind unsere bürokratisch bis ins kleinste Detail ausformulierten Ausbildungsrichtlinien was Notfallübungen angeht aber sehr minimalistisch ausgelegt und auch in der FI-Ausbildung bleibt kaum Zeit, sowas ernsthaft zu lernen. Das mag mal wieder an der guten deutschen Vollkasko-Mentalität liegen. Dadurch ist jeder FI darauf angewiesen, sich das mehr oder weniger in Eigenverantwortung beizubringen und das ist sicherlich keine saubere Lösung.

    Natürlich muss man sich an solche Übungen langsam und mit viel Respekt rantasten, damit das Risiko in vernünftigen Grenzen bleibt. Wer einfach mal so in 500 ft das Gas rauszieht, ohne das vorher etliche male in anfangs großer und dann immer niedrigerer Höhe bei verschiedenen Wetterlagen zu üben, handelt unverantwortlich.

  • Ich denke, dass das Thema "Motorausfall beim Start" gelegentlich dramatisiert wird. Gerade bei UL- Fliegern, die im Vergleich zur oft trägen E-Klasse relativ schnell abheben und meist noch im ersten Drittel der Startbahn schnell Höhe gewinnen, ist es in der Regel doch so, dass entweder - bei einem sehr frühen Motorausfall - der Platz noch für eine Landung ( ggf. Slip-Landung) reicht oder aber - bei späterem Motorausfall - schon so viel Höhe erreicht ist, dass eine unspektakulätre Umkehrkurve möglich ist.

    Problematisch ist natürlich häufig die eintretende "Schockstarre", bei der viel Zeit verloren geht und die leider auch häufig falsche Reaktionen zur Folge hat. Nach meiner Überzeugung ist dies natürlich auch dadurch bedingt, dass ein Motorausfall nach dem Start - Gott sei Dank - nur selten vorkommt. Segelflieger, die regelmäßig an der Winde starten, erleben sozusagen auch regelmäßig Seilrisse, was im Prinzip auch nichts anderes ist, als ein Vortriebsausfall nach dem Start. Auch bei den Segelfliegern ist es so, dass in aller Regel entweder - bei noch geringer Höhe - geradeaus gelandet werden kann, oder aber eine Umkehrkurve nicht nur angesagt, sondern auch möglich ist.

    Was man leider aber auch immer wieder feststellen muss - zuletzt am vergangenen Samstag auf dem Flugplatz Mönchsheide wieder einmal live erlebt - ist, dass sich ULs nach dem Abheben mit einem dermaßen steilen Steigwinkel in die Lüfte schwingen, dass es im Falle eines Motorausfalls kritisch werden muss. Dies sollte man im eigenen Interesse tunlichst vermeiden.

  • Was man leider aber auch immer wieder feststellen muss - zuletzt am vergangenen Samstag auf dem Flugplatz Mönchsheide wieder einmal live erlebt - ist, dass sich ULs nach dem Abheben mit einem dermaßen steilen Steigwinkel in die Lüfte schwingen, dass es im Falle eines Motorausfalls kritisch werden muss. Dies sollte man im eigenen Interesse tunlichst vermeiden.

    Genau das wird aber oft so von den Fluglehrern vermittelt. Zumindest hier. Zitat: "Gestartet wird mit Vollgas. Die Geschwindigkeit wird mit dem Höhenruder gehalten."

    Für den Landeanflug ist das auch richtig. Aber für den Steigflug ist das grundfalsch. Da ist es vernünftiger, etwas flacher zu steigen und die Leistung ab 80 - 100 m Höhe etwas zu reduzieren. Und dann mit der Geschwindigkeit für das beste Steigen weiter zu steigen. Und nicht beim steilsten Steigen zu bleiben. Der Höhengewinn ist da deutlich geringer als beim besten Steigen.

    Wenn ich mir hier die Steigflüge genau ansehe, fliegen die Flieger im Steigflug mit einem sehr hohen Anstellwinkel. Das steigen entspricht aber nicht dem Steigwinkel, die schieben ordentlich. Wenn der Rotax dann nur mal hustet, ist man da ganz schnell auf der Rückseite der Leistungskurve (für diejenigen, die nicht wissen was das ist: im Fliegermagazin 5/2015 sehr schön beschrieben). Ich hoffe immer, wenn ich das hier sehe, das die hinter dem Flugplatzzaun herunter fallen. Da sind nämlich andere zuständig für′s zusammen kehren.

  • Ich freue mich über die engagierten, sachlichen, kompetenten Beiträge zu dem Thema. So macht der Gedankenaustausch Spaß.

    Zwei Punkte aus meiner Erfahrung dazu:

    Die Umkehrkurve halte ich für sehr kritisch bis nicht machbar. Ich hab′s mit meinem Vogel (Pioneer 200) mal ausprobiert. Ich war in keinem Fall in der Lage, zum Platz zurück zu kehren. Die Maschine steigt voll beladen mit höchstens 800 ft/min und sinkt im besten Gleiten mit 700 ft/min. Für die Umkehrkurve brauche ich rund 300 ft. Da erreicht man den Platz, von dem man gestartet ist, nur bei starkem Gegenwind, also steilem Steigen. Dann stünde aber eine Landung mit starkem Rückenwind an. Alles eher ungut. Mit meinem Vogel und auch mit den üblichen E-Klasse Maschinen keine Chance.

    Das Landen auf dem Rest der Startbahn nach frühem Motorausfall geht, ist aber anspruchsvoll. Nachdrücken, um Fahrt zu halten, und Abfangen, um nicht hart aufzuschlagen, sind fast eins. Beim ersten Versuch dieser Art habe ich meine Maschine mit 3 g auf die Bahn geworfen. Zum Glück ist sie hart im Nehmen. Einem Flugschüler würde ich das Manöver lieber nicht abverlangen.

  • pedrob schrieb:
    Genau das wird aber oft so von den Fluglehrern vermittelt. Zumindest hier. Zitat: "Gestartet wird mit Vollgas. Die Geschwindigkeit wird mit dem Höhenruder gehalten."

    Was soll daran grundfalsch sein? Das Zitat sagt nicht, dass man durchgehend mit der Geschwindigkeit des besten Steigwinkels steigen soll statt der besten Steigrate.
    Man sollte nach dem sicheren Überfliegen eventueller Hindernisse in möglichst kurzer Zeit auf Höhe kommen, damit man im Fall des Falles die meisten Reserven hat. In 80-100m Höhe das Gas zu reduzieren kann daher je nach Platzverhältnissen und Flugzeug eine schlechte Idee sein.

  • Techbär schrieb:
    Die Umkehrkurve halte ich für sehr kritisch bis nicht machbar.

    Der von Dir beschriebene Fall ist nur ein spezielles Beispiel. Die Umkehrkurve kann alles von handzahm bis kritisch sein. Da spielen viele Umstände eine Rolle: Platzverhältnisse (Bahnlänge, Hindernisse querab und voraus), Windverhältnisse und Flugzeugleistung. Dazu gibt es auch endlose Diskussionen (Google: "the impossible turn"), aber das zu pauschalisieren ist aus o.g. Gründen Unsinn.

    Warum sollte man geradeaus in den Wald landen, wenn die Bedingungen eine Umkehrkurve zulassen?

  • Natürlich kommt es auch ganz maßgeblich auf die Bahnlänge bzw. den Platz an, den man hat. In Bitburg z.B. ( knapp 3500 Meter Bahn ) kann es m.E. überhaupt kein Problem geben. Je nach Höhe eben Landung gerade aus - oder, wenn das wegen der Höhe, die man bereits hat, nicht mehr geht, eben Umkehrkurve. Dafür hat man dann jedenfalls Höhe genug. Gleiches gilt für die meisten Segelflugplätze mit Windenschleppbetrieb ( Bahnlänge meist > 800 Meter ). Bei kleinen UL - Plätzen wird das Fenster zwischen "geradeaus landen" und "Umkehrkurve" natürlich recht klein, wobei aber gerade bei kleinen Plätzen in den meisten Fällen ein "freier An-/Abflug" (also Hindernisfreiheit an den Bahnenden) gegeben ist ( z.B. Naunheim, Bahnlänge 160 Meter). Dann im Zweifel eben "auf den Acker / die Wiese". Wohlgemerkt : bei diesen Überlegungen geht es ums Überleben, nicht darum, ob das Fahrwerk beschädigt wird :-)
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