Erfahrungsbericht: Einflug in eine Wolke

Forum - Unfallprävention
  • Hallo zusammen,

    im Rahmen meiner Ausbildung zum 3-Achs Sportpiloten hatte ich einmal ein ziemlich (im wahrsten Sinne des Wortes) beeindruckendes Erlebnis, von dem ich Euch hier gerne berichten möchte.

    Es war ein ziemlich schöner Tag mit kaum Bewölkung, nahezu Null genau genommen. Mein Fluglehrer und ich machten zunächst so etwa 5 bis 6 Platzrunden und verließen die Platzrunde dann, um ein paar Flugmanöver üben zu können. Insgesamt hatte ich schon etwa 35 Stunden im Buch und war kurz vor der Prüfung. Mein Fluglehrer gab mir für die Manöver verschiedene Anweisungen, die ich dann immer brav befolgte. Als ich seinen angesagten Kurs setzte und auf die von ihm vorgegebene Höhe steigen wollte, bemerkte ich, dass wir unmittelbar auf eine einsame, vereinzelte mittelgroße Cumulus-Wolke zuflogen. Also reduzierte ich die Steigleistung, um darunter durchzufliegen. Mein Fluglehrer hingegen bestand darauf, die Steigrate und den Kurs beizubehalten.

    Ich sah ihn verwundert an und sagte: "...aber dann fliegen wir ja genau in die Wolke rein...?" Er antwortete: "Ja, stimmt." Ich sagte dann: "Ich dachte, das ist bei Todesstrafe verboten - das waren doch ungefähr Deine Worte?" Er antwortete: "Ja, stimmt. Wir machen jetzt eine Übung - Du wirst gleich sehen."

    Ich war ziemlich irritiert, aber da mein Fluglehrer insgesamt einen sehr besonnenen und vernünftigen Eindruck machte, und mir nie den Eindruck eines Draufgängers vermittelte, vertraute ich ihm. 

    Als die Wolke näher kam, erklärte er mir die Übung etwa so: "Also, die Aufgabe ist ganz einfach. Wir fliegen in die Wolke ein, das Durchfliegen wird wohl etwa 10 Sekunden dauern. In dieser Zeit ist die Aufgabe lediglich: Flieg geradeaus."

    Das hörte sich nicht schwierig an. Ich vermutete, dass der Sinn der Übung mit dem sogenannten "White-out" zu tun hatte, der plötzliche Orientierungsverlust in komplett weißer Umgebung. Alternativ vermutete ich starke Turbulenzen, die die Maschine durchrütteln und machte mich auf beides gefasst.

    In dem Moment, als ich in die Wolke eingeflogen bin, war es schlagartig weiß um mich herum, die Maschine schüttelte leicht, aber auch nicht mehr als an einem warmen Sommertag mit den üblichen Thermik-Blasen. Ich konzentrierte mich auf den Kurs und das Variometer und versuchte weder zu steigen noch zu sinken, und auch den Kurs beizubehalten. Als ich nach etwa 10 Sekunden, die mir wie eine Ewigkeit vorkamen, mit schweißnassen Händen aus der Wolke raus kam, stellte ich plötzlich fest, dass ich nicht mehr horizontal flog, sondern mit ordentlicher Schräglage im Raum hing. Im ersten Moment fühlte es für mich so an, als wäre der Boden vor mir einfach schräg umgekippt und ich wäre immer noch gerade im Raum. Es dauerte einige Zehntelsekunden, bis ich meine Lage im Raum verstand, korrigierte diese und war schweißgebadet.

    Das einzige, was ich unmittelbar danach sagen konnte war: "Ach Du Sch****!". Mein Fluglehrer sagte dann anschließend einen Satz, den ich nie mehr vergessen werde: "So, und das ist der Grund, warum Du für den Rest Deines Lebens nie wieder in eine Wolke einfliegen wirst!".

    Anschließend drehten wir um und flogen zum Platz zurück, wo wir landeten. Mir schlotterten noch eine halbe Stunde später die Knie, obwohl wir eigentlich in relativ großer Höhe unterwegs waren und die Wolke so ziemlich einsam am Himmel war. Erst so im Nachhinein wurde mir klar, dass einige der Flugmanöver, die wir geübt haben, immer um diese einzelne Wolke herum stattgefunden haben, bis der Fluglehrer wohl sicher war, dass sich kein Flieger darin befand.
    Mein Fluglehrer bestätigte mir dann am Boden in der Nachbesprechung, dass er diese Übung nur äußerst selten und nur unter idealen Bedingungen machte: Große Flughöhe, nur eine einzelne nicht zu große Wolke, längere Beobachtung des Luftraums um sicherzugehen dass kein anderer Flieger in der Nähe ist, und ausreichendes Vertrauen in den Flugschüler.

    Das habe ich daraus gelernt:
    Ich werde todsicher in meinem Leben nicht mehr in eine Wolke einfliegen. Ich war nämlich 100%ig sicher, die Maschine in der Waagrechten gehalten zu haben und doch war ich nach nur ein paar Sekunden ohne Bodensicht in einer gefährlichen Schräglage! Die Ursache für die Schräglage vermute ich sowohl in der ungleichen Gewichtsverteilung (der Fluglehrer hatte doch ein paar Kilo mehr als ich) und den Turbulenzen, die ich auszugleichen versuchte.

    Mittlerweile habe ich meine Prüfung bestanden und fliege sehr regelmäßig. 

    Michael

  • Genau so ist es und manchmal ist die Turbulenz darin auch noch deutlich härter.  Das interessante ist ,dass das Gehirn ja gleich wieder Bodensicht erwartet  und dann kommt sie aber nicht. Die Realität weicht  dann von der erwarteten Vorstellung ab. Genau da kommt dann das Adrenalin. 

    Ohne künstlichen Horizont und ohne das auch mit diesem vorher mal geübt zu haben,  geht es schief. ( viele Unfälle in diesem Jahr durch IMC Einflüge) 

    Es kommt unweigerlich auch der Drang noch  den Boden zu suchen und zu sinken um aus der Suppe zu entkommen.

    Mit einem IFR FI das mal zu trainieren macht Sinn und ist sehr interessant.   

    Irgendwann kommt im Training einfach das Vertrauen auf die Instrumente und man versucht auch nicht mehr außen  krampfhaft seine Lage zu finden. Aber das ich ein Stück Überwindung.  

  • Eine gue Geschichte, Dank dafür! Mir scheint, du hast einen sehr guten Fluglehrer.

    Muß ich verstehen, die geflogene Maschine hat kein künstlicher Horizont, oder anderes Gyroskop-Instrument?

  • Interessant zu lesen, wenn ich das jetzt richtig verstehe, wird also bereits in der Ausbildung zum Luftsportgeräteführer, gegen geltende Vorschriften verstoßen?

  • Pitts schrieb:
    Interessant zu lesen, wenn ich das jetzt richtig verstehe, wird also bereits in der Ausbildung zum Luftsportgeräteführer, gegen geltende Vorschriften verstoßen?
    Wenn auch nur rhetorisch gemeint, trotzdem eine gute Frage...


    Chris

  • Wenn′s der guten Sache dient wird selbstverständlich "gegen geltendes Recht verstossen". Wie Csaba schon sagte, Hut ab vor diesem Fluglehrer. Wenn sich das genauso zugetragen hat wie beschrieben und es dem Jungen eine Lehre für′s Leben war ist die Sache für mich mehr als perfekt. Genau das gleiche gilt natürlich für die ach so verbotenen Notlandeübungen auf einem Acker ohne Fluglehrer. Wer das nicht trotzdem regelmässig macht könnte sich eines Tages wundern... Wenn dieses sogenannte "geltende Recht" im Gegensatz zum gesunden Menschenverstand steht werde ich mich selbstverständlich immer für letzteres entscheiden.

    Gruss Stephan

    PS: Lieber Pitts, ich nehme an Du bist so um die 16 und ziemlich gut am Flusi, oder?

  • Schöne Übung. 

    Ich kann deswegen jedem nur raten sich nen künstl. Horizont stat irgend eines anderen schnick schnacks einzubauen und dann dessen Funktion zu üben, üben, üben. Kann man Prima mit den erhältlichen "Scheuklappen" bei bestem Wetter üben.

    Pitts --> Du nervst.

  • Heee... Stephan2, nichts gegen Flusipiloten ;-)

    Ich verstehe aber Deine Kritik an dem Kommentar von Pitts. Alles gut.

    Happy landingsEdith sagt: "Hast auch ein Like bekommen für Deinen Kommentar" ;-)

  • Hallo Stephan,

    nein ich bin 53 und hab als Jugendlicher im Segelflug begonnen, da gabs noch keinen Flusl!

    liebe Grüße 


  • Eine Erfahrung die man nie vergisst. Gute Übung. 

    Trotz allen Sicherheitsübungen und Kreiselgeräten, es bleibt die Ungewissheit, wenn es doch mal passiert, ob da nicht noch wer in der Wolke ist.

    Beim Gleitschirmfliegen haben wir immer gewitzelt, dass es blöd ist, wennst in der Wolke ein Vario hörst... es aber nicht das eigene ist...

    Nach einigen Erfahrungen mit Fliegen über den Wolken und nach dem Loch vom Dienst... fliegen in Sauwetter... haben wir einen Horizont eingebaut. Den Plan zu üben habe ich auch. Die Frage bleibt - üben mit Fluglehrer in einer IFR ausgestatteten Maschine, welche wir im Notfall nicht fliegen... oder üben im eigenen Gerät (bei gutem Wetter mit Scheuklappen) und Sicherheitspilot. Letzteres erscheint mir mittlerweilen passender, weil es für mich praxisnäher ist.

    Generell...versuche ich Wolken und entsprechende Wetterlagen zu vermeiden. D.h. nur wegen dem neuen Horizont oder wegen "ich will aber Heim" in irgendeinen Mist einzufliegen, ist nicht das Ziel der Übung.

    Endlich mal schlechtes Wetter, da konnte ich die Wartung am Jab machen :o)

    Martin

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