Pilotenausbildung als Gehörloser

Forum - Pilotenausbildung (SPL)
  • Hallo, 

    Ich finde das Thema spannend. Dass sowas generell scheinbar irgendwie geht, sieht man an den Beispielen in anderen Ländern. 

    Die Sicherheitsbedenken kann ich natürlich nachvollziehen. Ich kann morgen mal ein bisschen näher erläutern, wie das in anderen Ländern gehandhabt wird - auch das Unterrichten von gehörlosen angehenden Piloten.

    Ich bin euch allen nach wie vor dankbar für jeglichen Input — und dazu gehören konkrete Bedenken auch, damit ich mir diese kritischen Situationen genauer anschauen kann und herausfinden, wie in anderen Ländern damit umgegangen wird. Ich bin ja selbst gar nicht im Thema, abgesehen von meiner Recherche, daher habe ich sicher nicht alles auf dem Schirm. Und da seid ihr hier eine unheimlich große Hilfe!

    susanne

  • Hallo,

    ich bin etwas skeptisch, ob es wirklich Gehörlose geschafft haben, einen Pilotenschein zu erwerben. Ich vermute eher, der Gehörverlust trat nach der Schulung auf. Das ist flugmedizinisch deutlich einfacher zu bearbeiten und umgeht auch alle Probleme, die bei der Schulung entstehen würden. Ich arbeite selber als Berufspilot und es gibt KollegInnen mit Hörhilfen, aber du musst mit Hörhilfe die Mindestanforderung an die Hörleistung erbringen. Analog auch bei der Sehhilfe etc.

    Von daher werdet ihr ein sehr dickes Brett bohren müssen, jemanden mit starker Hörbeeinträchtigung überhaupt schulen und vor allem auch prüfen zu können. 

    In Deutschland braucht man keinen Funk in einem kleinen Bereich des Luftraums ( Klasse  G ), ist aber quasi auf seinen Heimatplatz beschränkt.

    Ich wüsste keinen Weg, ohne über das medizinische Zentrum des LBA zu gehen, mit einer Schulung überhaupt anfangen zu können.

    Gruss Raller 

  • Königin schrieb:
    wie in anderen Ländern damit umgegangen wird.
    ...da bin ich bei Raller, würde  das aber anders formulieren. Die Referenz bzgl Medicalanforderungen hab ich ja weiter vorne schon geteilt, die gelten EU weit (was das LAPL betrifft) und wenn etwas woanders in der EU möglich ist, dann auch hier.
    Königin schrieb:
    und dazu gehören konkrete Bedenken auch, damit ich mir diese kritischen Situationen genauer anschauen kann
    Meine Fragen wären:

    Gibt es ausreichend im Umgang mit Gehörlosen Kommunikationskompetente (Gebärde?) Fluglehrer, die zudem bereit sind sich darauf einzulassen? (z.B. Funk beim ersten Alleinflug)

    Ist in der Schnelligkeit und Komplexität (im Vgl zum Auto) beim Fliegen ein Lernen ohne verbalen Input sicher möglich? (Beispiel Abfangbogen bei der Landung)

    Wie dürfte man das UL nutzen? (nur in Platznähe?) 

    Wie kann man die (gesetzlich nicht immer zwingende aber praktisch sehr sinnvolle) Kommunikation Luft Luft bzw Luft Boden trotzdem gestalten? (Kollisionsverhütung)

    Wie können technische Defekte, die sich nur akustisch angedeutet haben sicher erkennen, bevor es dramatisch wird?

    Aber bevor es damit losgeht die Fragen zu klären (gibt bestimmt noch weitere) würde ich erstmal einen Fliegerarzt unverbindlich fragen, ob das überhaupt Aussicht auf Erfolg hätte.

    Mein Bauchgefühl ist da eher negativ...

    ...vielleicht wäre eine sogenannte Pinch Hitter Ausbildung (einfach mal googeln) realistischer

  •     francop schrieb:
        ...da bin ich bei Raller, würde  das aber anders formulieren. Die Referenz bzgl Medicalanforderungen hab ich ja weiter vorne schon geteilt, die gelten EU weit (was das LAPL betrifft) und wenn etwas woanders in der EU möglich ist, dann auch hier.

    Die Regeln gelten sicher EU-weit, offenbar wird aber unterschiedlich damit umgegangen. Hier https://www.rts.ch/play/tv/signes/video/ces-merveilleux-sourds-volants?urn=urn:rts:video:8092237   geht es um einen gehörlosen Piloten aus Frankreich, der sich das Recht erkämpft hat, alleine und mit Passagieren zu fliegen. (Ich habe ein Transkript der frz. Untertitel erstellt und durch einen automatischen Übersetzer laufen lassen. Bei Bedarf bitte direkt an mich wenden.) In D gibt es einen Gehörlosen mit Pilotenausbildung, der nach dem Willen des Luftfahrtbundesamts ausschließlich mit Begleitung fliegen darf.

     francop schrieb:
    Meine Fragen wären:

    Gibt es ausreichend im Umgang mit Gehörlosen Kommunikationskompetente (Gebärde?) Fluglehrer, die zudem bereit sind sich darauf einzulassen? (z.B. Funk beim ersten Alleinflug)

    Ist in der Schnelligkeit und Komplexität (im Vgl zum Auto) beim Fliegen ein Lernen ohne verbalen Input sicher möglich? (Beispiel Abfangbogen bei der Landung)

    Wie dürfte man das UL nutzen? (nur in Platznähe?)

    Wie kann man die (gesetzlich nicht immer zwingende aber praktisch sehr sinnvolle) Kommunikation Luft Luft bzw Luft Boden trotzdem gestalten? (Kollisionsverhütung)

    Wie können technische Defekte, die sich nur akustisch angedeutet haben sicher erkennen, bevor es dramatisch wird?

    Aber bevor es damit losgeht die Fragen zu klären (gibt bestimmt noch weitere) würde ich erstmal einen Fliegerarzt unverbindlich fragen, ob das überhaupt Aussicht auf Erfolg hätte.  Mein Bauchgefühl ist da eher negativ...

    ...vielleicht wäre eine sogenannte Pinch Hitter Ausbildung (einfach mal googeln) realistischer

    Gibt es ausreichend gebärdensprachkompetente Fluglehrer? Sicherlich nicht! Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Und bis dahin lässt sich auch mit Dolmetschern arbeiten.

    Lernen ohne "verbalen Input"? Was ist unter "verbalem Input" deiner Meinung nach zu verstehen? Gebärdensprache steht in der Komplexität von Äußerungen den gesprochenen Sprachen in nichts nach. Die Geschwindigkeit ist mit gesprochenen Sprachen vergleichbar, im Zweifel eher schneller. Klärt das die Frage oder möchtest du auf etwas anderes hinaus?

    Wie dürfte man das UL nutzen? Das ist genau auch eine meiner wichtigsten Fragen…

    Kommunikation Luft-Luft bzw. Luft-Boden: In den USA gibt es mit NextGen Bemühungen zum schriftbasierten Funkverkehr. In Frankreich gibt es mit FANS4ALL ein Projekt, entsprechendes auch in Frankreich möglich zu machen. Wir hoffen, für Deutschland mit diesem Projekt kooperieren zu können. (Lt. Aussage eines Airbus-Mitarbeiters wird in neueren Flugzeugen der gesamte Flugverkehr ohnehin auch schriftlich dargestellt. Das wäre dann an sich barrierefrei.)

    Erkennen von technischen Defekten, die sich nur akustisch angedeutet haben? Das scheint mir in der Tat ein Problem, für dessen Lösung ich momentan auch keine Idee habe. Dieses Problem besteht ja auch bei (älteren) Autos (ohne viel Elektronik). Man wird sich da wohl in besonderem Maße auf regelmäßige, gute und gründliche Wartung des Fluggeräts verlassen müssen. Man fliegt ja ohnehin auf eigenes Risiko…

    Das mit der Pinch Hitter Ausbildung ist übrigens eine sehr gute Idee, danke für den Tipp! (Trotzdem geht es grundsätzlich weiterhin darum, Gehörlosen das selbstständige Fliegen zu ermöglichen)

       raller schrieb:
    ich bin etwas skeptisch, ob es wirklich Gehörlose geschafft haben, einen Pilotenschein zu erwerben. Ich vermute eher, der Gehörverlust trat nach der Schulung auf.

    Das kann ich klar verneinen. Die Ausbildung wurde mit bestehender Gehörlosigkeit absolviert.

    An anderer Stelle kam noch der Hinweis, sich bei den Rollifliegern zu erkundigen: Danke für den Tipp, aber die Barrieren sind ja doch deutlich andere, daher halte ich das für wenig zielführend… Rollifahrer können problemlos den Sprechfunk nutzen, haben aber einen besonderen Platzbedarf und Mobilitätseinschränkungen. Bei Gehörlosen ist der Sprechfunk m.E. das einzige Problem.

    Weiterhin vielen Dank für eure Gedanken zum Thema und euren Input!
    Susanne

  • Königin schrieb:
    Die Regeln gelten sicher EU-weit, offenbar wird aber unterschiedlich damit umgegangen. Hier https://www.rts.ch/play/tv/signes/video/ces-merveilleux-sourds-volants?urn=urn:rts:video:8092237   geht es um einen gehörlosen Piloten aus Frankreich, der sich das Recht erkämpft hat, alleine und mit Passagieren zu fliegen
    Ah ok....verstehe worauf du hinaus möchtest. Ich gehe davon aus, dass der Betroffene deutscher Staatsbürgerschaft ist und beabsichtigt in der BRD zu fliegen.

    Nun muss man wissen, das UL national geregelt sind und in der BRD eben UL Piloten ein Medical Minimum LAPL brauchen

    In Fr war (ist?) es wohl so gewesen, dass UL kein LAPL Medical brauchten. (Es gab einige Deutsche, die meinten das Medical mit einer FR Lizenz umgehen zu können - separates Thema: Geht nicht)

    Die Frage, die du stellen könntest wäre also, ob der Schweizer?/Franzose? ein Medical minimum LAPL hatte, denn das wäre das entscheidende Kriterium.

    Königin schrieb:
    In D gibt es einen Gehörlosen mit Pilotenausbildung, der nach dem Willen des Luftfahrtbundesamts ausschließlich mit Begleitung fliegen darf.
    Ich denke, dass wäre dann der Ansatz...ist das den bestätigt, oder nur vom hören her? Ich denke das läßt sich herausfinden und Kontakt aufnehmen (ich gehe mal davon aus, das der/die PIC offen gegenüber einem Austausches wäre)
    Königin schrieb:
    Gibt es ausreichend gebärdensprachkompetente Fluglehrer? Sicherlich nicht! Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Und bis dahin lässt sich auch mit Dolmetschern arbeiten.
    Im UL geht nur zur zweit was die Praxis betrifft, Theorie ist bestimmt regelbar. Hier gibt es ja einige Fluglehrer, vielleicht meldet sich ja einer bei dir, ob und wie das vorstellbar wäre - wie gesagt, es braucht jemanden, der bereit wäre. Aber wenn es den aus dem vorherigen Punkt bekannten Präzedenzfall tatsächlich geben sollte, dann gäbe es ja auch Erfahrungswerte.
    Königin schrieb:
    Lernen ohne "verbalen Input"? Was ist unter "verbalem Input" deiner Meinung nach zu verstehen? Gebärdensprache steht in der Komplexität von Äußerungen den gesprochenen Sprachen in nichts nach. Die Geschwindigkeit ist mit gesprochenen Sprachen vergleichbar, im Zweifel eher schneller. Klärt das die Frage oder möchtest du auf etwas anderes hinaus?
    Beispiel Landung: Im Anflug auf die Piste passt der Winkel in dem das Flugzeug dem Boden entgegensteuert nicht zu dem Winkel wo das Flugzeug letztlich aufsetzt. Deswegen wir das Flugzeug abgefangen und quasi ein Bogen geflogen. Das üben erfolgt auch durch Ansprache des Fluglehrers um das richtige Timing zu finden, während der Schüler den Blick nach vorne setzen muss. Ich kann mir nicht vorstellen, dass weder Lehrer noch Schüler die Zeit haben das per Gebärde zu kommunizieren.
    Königin schrieb:
    Wie dürfte man das UL nutzen? Das ist genau auch eine meiner wichtigsten Fragen…
    Man kann da sicher diskutieren, die Frage ist ja formal nach der Ausrüstungspflicht des Luftfahrzeuges, nicht ob der Pilot das verstehen kann...arge Grauzone. Ich hatte ja zuvor einen Artikel vom Fliegermagazin gepostet, was ohne Funk geht, daran würde ich mich orientieren. Wenn es unter der Auflage es Safety Piloten geht, wäre das bestimmt umgehbar.
    Königin schrieb:
    In Frankreich gibt es mit FANS4ALL ein Projekt, entsprechendes auch in Frankreich möglich zu machen.
    Das klingt spannend, wäre nur realistisch abzuschätzen, ob das in den nächsten Jahrzehnten tatsächlich flächendenkend kommen kann.
    Königin schrieb:
    (Lt. Aussage eines Airbus-Mitarbeiters wird in neueren Flugzeugen der gesamte Flugverkehr ohnehin auch schriftlich dargestellt. Das wäre dann an sich barrierefrei.)
    Na, das ist glaube ich etwas aus dem Zusammenhang gezogen und nicht für die Nutzer des unteren Luftraumes gedacht....aber auch ein mega komplexes Thema
    Königin schrieb:
    Das scheint mir in der Tat ein Problem, für dessen Lösung ich momentan auch keine Idee habe.
    Ich denke die Idee mit dem Safety Pilot ist da der Ansatz, der zum einen selbstverantwortliches Fliegen ermöglicht aber auch allen anderen Flieger fair gegenüber der Sicherheit ist (was Kollisionsvermeidung betrifft)
    Königin schrieb:
    Bei Gehörlosen ist der Sprechfunk m.E. das einzige Problem.
    ....ich denke um den Fliegerarzt kommt man nicht hinweg, ich kenn mich in HNO null aus, aber es wird schon wichtig sein, ob Gleichgewichtssinn und Druckausgleich betroffen sein können.

    ....aber wie gesagt, Fragen über Fragen, die erst Sinn machen gestellt zu werden, wenn grundsätzlich eine Medical möglich wäre

  • francop schrieb:
    Königin schrieb:
    In D gibt es einen Gehörlosen mit Pilotenausbildung, der nach dem Willen des Luftfahrtbundesamts ausschließlich mit Begleitung fliegen darf.
    Ich denke, dass wäre dann der Ansatz...ist das den bestätigt, oder nur vom hören her? Ich denke das läßt sich herausfinden und Kontakt aufnehmen (ich gehe mal davon aus, das der/die PIC offen gegenüber einem Austausches wäre)
    In aller Kürze: ja, wir sind in Kontakt. Er möchte das anfechten, so wie der frz. Pilot das auch gemacht hat
  • Königin schrieb:
    In aller Kürze: ja, wir sind in Kontakt. Er möchte das anfechten, so wie der frz. Pilot das auch gemacht hat
    In der Nähe zu Frankreich wohnt er nicht zufällig? Oder er könnte dort regelmässig einen Fliegerurlaub verbringen? Dann wäre dort eher eine entspr. Lösung in Form einer französischen UL-Lizenz zu finden. Ich bin Inhaber einer franz. Lizenz und nein, ich musste dafür kein Medical bestehen.

    Ein Vorteil der Gebärdensprache ist glaub, dass die international ist? Dann wäre sprachlich schonmal keine Barriere :)

    In Deutschland gegen das Medical anzugehen halte ich für annähernd aussichtslos.


    Chris

  • Chris_EDNC schrieb:
    Ich bin Inhaber einer franz. Lizenz und nein, ich musste dafür kein Medical bestehen.
    Ich glaube das ist mittlerweile auch vorbei, hab mir das gerade nochmal angesehen....braucht zumindest erstmalig eine Art Hausarztattest (oder LAPL)

    https://ffplum.fr/pratiquer/medical

  • Ja das war bei mir auch so. Hausarztbesuch, er guckte mich an und fragte, ob ich mich fit fühle und das war es dann auch schon. Eine einmalige Sache war das, dauerte 2 Minuten.


    Chris

  • Chris_EDNC schrieb:
    Ja das war bei mir auch so. Hausarztbesuch, er guckte mich an und fragte, ob ich mich fit fühle und das war es dann auch schon. Eine einmalige Sache war das, dauerte 2 Minuten.
    Das war übrigens auch mal in der BRD diskutiert worden, ob bei Privatpiloten (ich meine zumindest bei LAPL und UL) eine Bewertung des Hausarztes ausreichen könnte. Ist aber durch die Länder gekippt worden.....krieg da aber gerade keine google Treffer

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