Auflastung CT

Forum - Technik & Flugzeuge
  • Moin Leute,

    zu dem Thema Auflastung gibt es ja viel Halbwissen, Fake-News, Vermutungen und Behauptungen. Und allgemein die Verwunderung, warum „dat büschen Auflastung“ denn Geld kosten soll, und dann auch noch so viel. Und dann sollen das auch noch die Halter der Flieger zahlen …..

    Nun, da ich mich ja auch mit der Auflastung unseres Fliegers beschäftige, bin ich recht nah am Thema dran.

    Es wird immer gesagt, dass viele Flieger ja auch schon in den USA als LSA mit 600 kg fliegen. (unser auch) Da braucht man doch nur etwas rechnen oder ein paar Sandsäckchen mehr drauf legen, fertig ist die Laube.

    So einfach ist es denn doch nicht, es gibt deutliche Unterschiede zwischen deutscher UL-Zulassung und amerikanischer LSA-Zulassung. Die auf den ersten Blick Wichtigsten:

    1.) Bei deutschen UL`s ist das Lastvielfache + 4 g x 1,5 Sicherheit = 6g   Bei den LSA`s ist das zu testende Lastvielfache nur 3,8 g x 1,5 Sicherheit = 5,7 g

    2.) In Deutschland kommt auf die 6 g für Flugzeuge aus Composite noch ein zusätzlicher Sicherheitsfaktor, damit sind wir dann schon bei ca. 7 g (das gilt nicht für Flugzeuge, deren tragende Struktur aus Metall oder Holz besteht) ---- Man sieht, zwischen 5,7 g und 7 g kann schon ein deutlicher Unterschied liegen. Diesen, wir sagen „deutschen Angstfaktor“, gibt es im Ausland nicht.

    3.) In den USA sind die LSA`s auf eine maximale Geschwindigkeit von 222 Km/h begrenzt, in Deutschland gibt es kein Tempolimit. Wenn man jetzt im Kopf hat, dass Kräfte und Belastungen im Quadrat zur Geschwindigkeitserhöhung anwachsen, dann kann man schon mal den Unterschied abschätzen. Ausgehend von der max. Geschwindigkeit mit voller Dauerleistung muss mit einem Faktor von 1,2 die Vd (und die liegt höher als „der rote Strich“) gesetzt werden. Ein LSA hat bei 222 km/h eine Vd von 266,4 km/h. Ein deutsch zugelassenes UL mit hoher Geschwindigkeit von z.B. 265 km/h bei voller Motorleistung muss schon eine Vd von 318 km/h überstehen. Und dabei vertikale Böen von 7,5 m/sec ertragen. Da werden dann schon höhere G-Lasten fällig als „nur“ die 7 g Ausgangslastvielfaches.

    Wenn Hersteller das schon früher freiwillig nachgewiesen haben, dann sind die fein raus. Ich vermute aber, die wenigsten UL`s wurden dafür gebaut.

    Weitere höhere Belastungen ergeben sich aus der höheren Mindestgeschwindigkeit von jetzt 83 km/h. Aus dieser Geschwindigkeit ergeben sich den Vorschriften nach völlig andere Geschwindigkeiten für Landeklappen und Manövergeschwindigkeit. Usw.

    Da kann die Geschwindigkeit für voll ausgefahrenen Landeklappen schon mal schnell auf 144 km/h anwachsen und möglicherweise steigt auch die Manövergeschwindigkeit. (volle Ruderausschläge)

    Seid Ihr alle so sicher, dass Eure Klappen, Ruder und Leitwerke das so einfach aushalten?

    Weiter geht’s  z.B. mit den Sitzen. Da ist das angenommene Pilotengewicht jetzt auf 110 kg angewachsen. Dann muss jetzt jeder Sitz für die Nachweise mit mehr als einer Tonne belastet werden und sollte das natürlich auch aushalten.

    Höhere strukturelle Festigkeiten gibt es auch für das neue Rettungssystem für 600 kg. Jeder einzelne Anschlusspunkt am Flugzeug muss alleine den vollen Entfaltungsstoß tragen können. Abhängig vom Rettungssystem und den maximalen Geschwindigkeiten muss dann also jeder Anschlusspunkt für sich alleine deutlich über sechs Tonnen aushalten. Schaut bei Euren Fliegern mal nach und schätzt ab, ob der alte Anschlusspunkt halten würde ….

    Ach ja, in den meisten Fällen werden wohl auch neue Ausschussversuche fällig.  Für diese Kosten bekäme man schon ein recht üppiges Silvesterfeuerwerk …. Beides knallt und zischt, aber das Feuerwerk dauert deutlich länger.

    Das waren jetzt nur einige Beispiele. Aber wenn man das vor Augen hat, dann sollte man nachvollziehen können, dass für all diese Nachweise schnell mal ein neues Flugzeug für die Bruchtest geopfert werden muss.

    Was geht auch ins Geld und macht zusätzliche Arbeit für die Hersteller? Propeller und Motoren. Wenn es Muster mit verschiedenen Motoren und Propellern gibt, dann muss der Hersteller für jede mögliche Kombination aus Motor und Propeller eine neue Lärmmessung bestehen und neue Flugversuche durchführen. Es ändern sich ja auch alle Daten wie Startstrecke, Steigflug und andere Geschwindigkeiten. Dazu dann neue Dokumentationen und Handbücher. Dazu Änderungen am Fahrtmesser.

    Dann kommen noch Sicherheitsgurte, Fahrwerke und einiges mehr. Und für alles müssen höhere Belastungen nachgewiesen werden.

    Last but not least … was ist mit den neuen Schwerpunkten Eurer Flieger. Auch hierfür müssen neue und vollständige Nachweise erbraucht werden.

    All das ist natürlich nicht umsonst zu haben und wenn die Hersteller Kosten auch an die Halter der Bestandsflieger weitergeben, dann ist das bestimmt keine Lizenz zum Gelddrucken.

    Und zum Schluss und zum Nachdenken ….. Es wird ja immer wieder angeführt, das „wir“ schon alle überladen geflogen sind und dass der Flieger im Ausland mit höherem MTOM fliegt. Schon richtig.

    Aber seid Ihr auch sicher, dass der Flieger für das Ausland nicht doch irgendwo strukturell verstärkt wurde.

    Überladen fliegen …. Packt einmal Euren Flieger so voll, dass 600 kg beim Abflug anstehen. Dann geht Ihr auf Höhe und danach in den Sturzflug. --- Muss sein, die Motorleistung reicht sonst nicht ---- Jetzt kann jeder selber rechnen … wenn die Vne (roter Strich) bei 265 steht, dann muss die Vd knapp bei 295 km/h liegen. Diese Geschwindigkeit braucht Ihr jetzt und dann zieht Ihr die vollen G-Lasten. Wenn Euer Flieger und damit auch Ihr das übersteht, dann könnt Ihr nach der Landung erzählen, dass doch alles kein Problem ist und Euer Flieger das problemlos aushält. Und der Hersteller freut sich, weil Ihr das jetzt schon für den getestet habt.

    Wenn nicht, dann last doch auf den Grabstein schreiben : „Der Glauben wurde von der Physik besiegt“

    So long

    jos

  • Danke das du es den Ungläubigen so schön beschrieben hast. Da werden noch viele Träume von mal eben 600KG platzen.

    VG Bernd

  • jos schrieb:

    Es wird ja immer wieder angeführt, das „wir“ schon alle überladen geflogen sind und dass der Flieger im Ausland mit höherem MTOM fliegt. Schon richtig.

    Aber seid Ihr auch sicher, dass der Flieger für das Ausland nicht doch irgendwo strukturell verstärkt wurde.

    kürzlich am Platz, ich: ABER die P96 ist ja auch als Echo-Klasse zugelassen? Also braucht man zum Auflasten doch nur Papier!
    Einer der es wissen könnte: das stimmt (mit der E-Klasse). ABER diese Flieger sind anders (stabiler) gebaut und dadurch auch schwerer.


  • @Jos, Deine Argumentation mag ja richtig sein. Doch muss man auch sehen , dass all Diese Berechnung und Tests in erster Linie dazu dienen neue 600Kg Flieger zu verkaufen. Die Nachfrage nach 472,5 Kg Flieger wird in Zukunft recht überschaubar sein! Somit kann es wohl nicht sein, dass der auflastwillige Kunde die Entwicklungskosten für die nächste Ul-Generation übernehmen soll. 

  • @Jos, Deine Beschreibung ist sehr gut.

    Mein Gedanke geht aber auch dahin, dass die einzelnen Komponenten eines Flugzeuges eben Grenzen aufweisen. Sagen wir Mal das Fahrwerk hält nur 540 kg aus, Klappen 580kg, Flügel 600kg usw. usw. Ich nehme an das jeder Hersteller die Grenzen seiner Flugzeuge schon weiß.

    Da kann sich dann jeder entscheiden wieviel er auflasten und ändern will und kann. Das wäre für uns Flieger doch eine tolle Lösung.

  • Danke Jos ! 

    Er hat vollkommen recht. 

    Grüße Volant 

  • @Yankee

    472,5 kg Flieger kann u wird es bald nicht mehr geben können (bis auf sehr wenige Ausnahmen)

    Nach neuer Zulassungsvorschrift (die alte gibt es dann nicht mehr!) muss ein 2 Sitzer 200 kg Mindestzuladung u Sprit für 0,5 h bei Vollast haben, somit rund 15 kg.

    472,5 abzüglich 215 wäre ein Leergewicht von 257.5 kg!

    Somit können die Hersteller ihren Laden dicht machen od sind gezwungen zumindest auf 530 kg zu gehen.

    Erst ab dem Gewicht könnte es in Zukunft ein UL zugelassen zu bekommen.

    Es geht somit nicht um zusätzliche 600 kg Flieger für gut betuchte, sondern um die Muss Entwicklung eines in Zukunft überhaupt noch zulassungsfähigen Flugzeugs um nicht in Insolvenz zu gehen od eben zuzusperren.

    472,5 ist durch die neuen Regularien bei Neufliegern tot!

    Somit müssen die alles neu rechnen ob die wollen oder nicht u da bietet es sich halt dann an es ggf Bestandsfliegern gegen eine Beteiligung den Umstieg in die Legalität zu ermöglichen. Ist wohl für manche schwer zu kapieren, dass dabei kein Hersteller reich wird, sondern es erst einmal schaffen muss die Umstellung zu überstehen!

    Ohne neue Regularien hätten die die 472,5 Flieger noch 10 Jahre weiterverkaufen können um Entwicklungskosten einzuspielen. Jetzt muss massiv investiert werden u verkauft wird seit 2 Jahren deutlich weniger....

  • @Eldim, ich habe nichts gegenteiliges behauptet. Meine Aussage bezog sich aufs Thema, „CT auflasten“ 8900,—€ netto für Papiekram!!!

  • Moin Leute,

    Ihr könnt hier die tollsten Rechnungen aufstellen, das ändert aber nun mal nichts da dran, daß die Auflastung für die CT

    über 10.000 Euro kosten soll und wenn ich eine neuere CT hätte würde ich das Geld investieren, in eine Älter wahrscheinlich nicht mehr.

    Die Hersteller leben nun mal vom Geldverdienen und nicht vom Verschenken und es wird keiner gezwungen Seine Kiste aufzulasten, also was soll diese ganze Diskussion.

  • Maraio schrieb:
    kürzlich am Platz, ich: ABER die P96 ist ja auch als Echo-Klasse zugelassen?
    Erinnert mich an die Situation bei uns am Platz. Da stehen zwei ev97 nebeneinander, einmal als Eurostar mit 472,5kg und einmal als Sportstar mir 600kg (E-Klasse). Von außen sehen sie Vögel auch gleich aus, aber in den Details unterscheiden sie sich dann doch merklich. So hat die Sportstar z.B. dickere Seilzüge für die Ruderanlage bzw. Trimmung. Außerdem sind mehr Knotenbleche eingenietet und wahrscheinlich ist auch das Blech etwas dicker. Letzteres ist aber nur meine Vermutung.

    Was das "die fliegen doch eh alle schon mit 600kg ohne Probleme" angeht, muß ich immer nur an den Absturz einer ev97 in der Schweiz denken. Den Vogel hat es dank mangelnder Festigkeit in Verbindung mit Überladung in der Luft zerlegt.
    --> http://www.ecolight.ch/Images/U_Eurostar_Zernez.pdf

    Nach dem Unfall hat unsere ev97 schon neue bzw. überarbeitete Tragflächen bekommen. Jetzt stehen für die Auflastung wieder neue bzw. überarbeitete Tragflächen an. Daher auch meine etwas flapsige Aussage, daß bei dem Flieger bald nur noch das Typenschild original ist. Der Motor wurde nämlich ebenfalls schon getauscht, weil der alte Rotax ein wirtschaftlicher Totalschaden war.

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